Wenig Chancengleichheit bei Hochschulbildung in Österreich
Verhältnismäßig wenige junge Menschen aus bildungsfernen Schichten sind in Österreich unter den Studienanfängern und Absolventen. Das ist das Ergebnis der am Dienstag präsentierten OECD-Studie „Bildung im Blick“.
Wien/Brüssel/Paris – In der Hochschulbildung gibt es nur wenig Chancengerechtigkeit. Zu diesem Schluss kommt die am Dienstag präsentierte OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“. In Österreich ist dabei die Chance von Personen, deren Eltern keinen Abschluss im Tertiärbereich haben, auf den Beginn und Abschluss eines Bachelor-, Diplom- oder Masterstudiums besonders gering.
Nur 31 Prozent Studienanfänger mit Eltern ohne Tertiärabschluss
Für ihre Auswertung zur Gerechtigkeit bzw. Mobilität im Hochschulbereich hat die OECD diesmal einen etwas anderen Zugang als in den vergangenen Jahren gewählt: Die Ungleichheit wird dabei anhand eines Vergleichs des Anteils junger Menschen aus potenziell benachteiligten Gruppen im Hochschulbereich mit ihrem Anteil an der Gesamtpopulation verglichen. Bei perfekter Chancengleichheit müsste dieser in etwa übereinstimmen – je weiter auseinander die Werte, desto ungerechter geht es zu.
In Österreich beträgt demnach der Anteil der 18- bis 24-Jährigen mit Eltern ohne Tertiärabschluss (wobei in diesem Zusammenhang aber auch ein BHS-Abschluss als solcher gilt, Anm.) an der Gesamtpopulation dieser Altersgruppe 61 Prozent. Bei den Anfängern eines Bachelor- oder Diplomstudiums an einer Hochschule liegt der entsprechende Prozentsatz dagegen bei nur 37 Prozent. Der entsprechende „Gap“ beträgt damit 24 Prozentpunkte. Höher ist er nur in Lettland und Litauen, besonders niedrig ist er in Italien mit nur elf Prozentpunkten.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einem Blick auf die Absolventen: Der Anteil der 20- bis 29-Jährigen mit Eltern ohne Tertiärabschluss an der Gesamtpopulation dieser Altersgruppe macht demnach 64 Prozent aus, bei den Erstabsolventen eines Bachelor- oder Diplomstudiums dagegen nur mehr 38 Prozent. Hier ist dieser Gap in Österreich mit rund 26 Prozentpunkten sogar am größten (ex aequo mit Schweden). Abstände nur knapp über zehn Prozentpunkten verzeichnen dagegen etwa Australien oder Kanada.
Bildungskarriere endet auch früher
Auch andere Indikatoren weisen auf Ungleichheiten hin: So geht etwa ein niedriger Bildungsstand der Eltern tendenziell mit einer späteren Aufnahme eines Hochschulstudiums einher. Außerdem endet in allen Ländern die Bildungskarriere von Bildungsteilnehmern, deren Eltern keinen Tertiärabschluss haben, früher: unter den Anfängern in der Sekundarstufe II (AHS-Oberstufe, BMHS, Lehre) schaffen sie seltener den Abschluss als Kinder von Eltern mit Tertiärabschluss und beginnen seltener ein Studium. Und: Der Bildungsstand der Eltern beeinflusst nicht nur die Entscheidung darüber, ob eine Ausbildung im Tertiärbereich angestrebt wird, sondern auch welche. So wählen etwa Anfänger mit Eltern ohne Tertiärabschluss mit größerer Wahrscheinlichkeit einen kurzen tertiären Bildungsweg (in Österreich vor allem eine BHS) statt eines Bachelor- oder Diplomstudiums.
Die Gründe für die Unterrepräsentierung von Personen aus bildungsfernen Schichten können dabei in zwei Faktoren liegen, die auch zusammen auftreten können. Einerseits können sie mit Hindernissen beim Eintritt in den Hochschulbereich selbst zusammenhängen (etwa Zugangsbeschränkungen oder zu hohe Studiengebühren) oder aber mit Problemen, die schon einen Erfolg in den vorgelagerten Bildungsbereichen verhindern.
Übergang Schule-Arbeitswelt in Österreich gut
Der Übergang von der Schule zum Arbeitsmarkt funktioniert in Österreich dagegen vergleichsweise gut, wie die Studie zeigt. Demnach waren hierzulande nur rund elf Prozent der 15- bis 29-Jährigen weder in einer Ausbildung noch berufstätig (not in employment, education or training, kurz: NEET), im OECD- und EU-Schnitt waren es je rund 13 Prozent. In Österreich ist der Anteil der NEETs dabei entsprechend dem OECD-Trend zwischen 2007 und 2017 geringfügig gesunken, konkret von 11,3 auf 10,8 Prozent. Am geringsten sind die Quoten in Island mit rund fünf Prozent. Grund ist laut OECD, dass dort überdurchschnittlich viele 25- bis 29-Jährige noch in (Aus-)Bildung sind. Besonders wenige NEETs gibt es außerdem in den Niederlanden, Luxemburg, Schweden und der Schweiz (rund acht Prozent) sowie Norwegen und Deutschland (rund neun Prozent). Die meisten NEETs verzeichnen die Türkei (27 Prozent) sowie – noch als Folge der jüngsten Wirtschaftskrise – Italien (25 Prozent) und Griechenland (23 Prozent).
Kein gutes Zeugnis gibt es für Österreich allerdings in Teilbereichen: So fallen wie auch in Deutschland junge Zuwanderer deutlich öfter in die Gruppe der NEETs als im Inland Geborene (rund 24 gegenüber rund acht Prozent). Zuwanderer haben zwar in den meisten untersuchten Ländern mehr Probleme beim Übergang zum Arbeitsmarkt als Einheimische, im OECD-Schnitt ist der Unterschied jedoch deutlich geringer (18 Prozent der im Ausland gegenüber 13 Prozent der im Inland Geborenen). In einem Drittel der OECD-Länder macht er sogar weniger als drei Prozentpunkte aus. Die OECD-Studie zeigt übrigens auch, dass eine längere Schulpflicht nicht automatisch zu höherer Bildungsbeteiligung führt: So befinden sich in Slowenien 94 Prozent der 15- bis 19-Jährigen in Ausbildung, obwohl die Schulpflicht mit 14 Jahren endet. In Chile (Schulpflicht bis 18) sind hingegen nur 83 Prozent der Jugendlichen noch in (Aus-)Bildung, was laut Studie auf hohe Abbruchquoten schließen lässt. (APA)
Detailergebnisse der Studie für Österreich:
AKADEMIKERQUOTE: 2017 lag der Anteil der Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss an der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren in Österreich bei 32 Prozent (OECD-Schnitt: 37 Prozent). Das entspricht jeweils den Vorjahreswerten. Vorsicht mit dem Begriff „Akademikerquote“: In Österreich werden mittlerweile nicht nur Hochschulabschlüsse dazu gezählt, sondern auch bestimmte Schulabschlüsse (BHS-Abschlüsse gelten im internationalen Vergleich als tertiäre Kurzausbildungen, Anm.). Über einen Bachelor-, Master/Diplom bzw. Doktorabschluss verfügen in Österreich dagegen nur 17 Prozent (OECD: 30 Prozent) (A1.1.)
AUSGABEN PRO SCHÜLER/STUDENT:
In Österreich betrugen diese 2015 (sic!) von der Volksschule bis zur Hochschule kaufkraftbereinigt pro Kopf durchschnittlich 13.688 US-Dollar. Damit lagen sie weit über dem OECD-Schnitt von 9.834 Dollar. Gleiches gilt auch für die jeweiligen Einzelbereiche Volksschule, Sekundarstufe und - etwas eingeschränkt - Hochschulen. (C1.1)
BILDUNGSGERECHTIGKEIT:
Personen, deren Eltern keinen Tertiärabschluss (Anm.: beinhaltet auch BHS-Matura) haben, sind in allen Vergleichsländern bei den Studienanfängern und Absolventen unterrepräsentiert - in Österreich aber besonders stark. Demnach beträgt etwa hierzulande der Anteil der 20-29-Jährigen ohne Eltern mit Tertiärabschluss an der Gesamtpopulation dieser Altersgruppe 64 Prozent, bei den Erstabsolventen eines Bachelor-, Diplom- oder Masterstudiums dagegen nur 38 Prozent. (B7.2)
BILDUNGSNIVEAU:
In Österreich verfügen 15 Prozent der 25- bis 64-Jährigen höchstens über einen Pflichtschulabschluss (OECD: 22 Prozent). 50 Prozent absolvierten als höchsten Bildungsabschluss die Sekundarstufe 2 (v.a. Lehre, berufsbildende mittlere Schule, AHS-Matura, BHS bis zum 3. Jahr; OECD: 39 Prozent), drei Prozent eine postsekundäre nichttertiäre Ausbildung (z.B. Gesundheits- und Krankenpflegeschulen, bestimmte Uni- oder FH-Lehrgänge; OECD: fünf Prozent). 15 Prozent haben als höchsten Abschluss eine sogenannte kurze tertiäre Ausbildung (v.a. BHS-Matura, ehemalige Pädagogische Akademien; OECD: sieben Prozent), vier Prozent ein Bachelorstudium (OECD: 17 Prozent), zwölf Prozent ein Master- oder Diplomstudium (OECD: ebenfalls zwölf Prozent) und ein Prozent ein Doktoratstudium (OECD: ebenfalls ein Prozent) (A1.1)
GENDER GAP:
Die Einkommen der Frauen hinken sowohl in Österreich als auch in der OECD hinterher: Sie verdienen unabhängig von der Bildungsstufe weniger. In Österreich erhält etwa eine 35- bis 44-jährige Frau mit Tertiärabschluss 73 Prozent dessen, was ein Mann mit gleichem Alter und Bildungsabschluss verdient (OECD-Mittel: 77 Prozent). (A4.3)
KINDERGARTEN:
In Österreich besuchen 41 Prozent (OECD: 45 Prozent) der Zweijährigen und 76 Prozent (OECD: ebenfalls 76 Prozent) der Dreijährigen eine frühkindliche Bildungseinrichtung. Bei den Vierjährigen sind 92 Prozent (OECD: 88 Prozent) im Kindergarten, bei den Fünfjährigen 97 Prozent (OECD: 95 Prozent). Stark ausgebaut wurde in Österreich die Zahl des pädagogischen Kindergartenpersonals: Zwischen 2005 und 2016 nahm dessen Zahl um 48 Prozent zu und lag damit auch über dem Zuwachs der betreuten Kinder (18 Prozent). (B2.1)
LEHRERALTER:
Österreich hat im OECD-Vergleich relativ alte Lehrer. Im Volksschulbereich sind in Österreich 39 Prozent aller Pädagogen 50 Jahre oder älter, in der OECD sind es 31 Prozent. Am höchsten fällt der Unterschied im Sekundarbereich 1 aus: In der AHS-Unterstufe bzw. Neuen Mittelschule sind in Österreich 49 Prozent der Lehrer mindestens 50 Jahre (OECD: 35 Prozent), an den Oberstufenschulen (Sekundarbereich 2) kommt Österreich auf einen Anteil von 45 Prozent (OECD: 34 Prozent). (D5.1)
LEHRERGEHÄLTER:
Pädagogen verdienen in Österreich zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere und in allen Schultypen mehr als im OECD-Schnitt. Lag 2017 bei Volksschullehrern schon das Einstiegsgehalt mit rund 40.500 US-Dollar (kaufkraftbereinigt) pro Jahr über dem OECD-Schnitt (32.300), ist der Abstand beim Höchstgehalt mit rund 73.500 US-Dollar noch größer (OECD: 54.200). Ähnlich verhält es sich in der Sekundarstufe I (Ö: rund 40.400 Start-, rund 78.500 Endgehalt; OECD: 33.200 bzw. 56.900) und der AHS-Oberstufe (Ö: 40.500 bzw. 83.700 US-Dollar; OECD: 35.000 bzw. 59.600 US-Dollar). Im Vergleich zu anderen Hochschulabsolventen in ihrem Land stehen Lehrer in Österreich dagegen etwas schlechter da: So verdient ein Lehrer in der Volksschule 76 Prozent vom durchschnittlichen Akademiker-Gehalt, in der Sekundarstufe 1 sind es 90 und in der AHS-Oberstufe 97 Prozent (OECD: 86 bzw. 91 und 96 Prozent). (D3.1a, D3.2a)
UNTERRICHTSZEIT - LEHRER:
Volksschullehrer müssen in Österreich (779 Stunden pro Jahr) geringfügig weniger unterrichten als im OECD-Schnitt (784 Stunden). Im Sekundarbereich 1 stehen dagegen die österreichischen Lehrer jährlich gleich um 96 Stunden kürzer in der Klasse (Ö: 607, OECD: 703), in der AHS-Oberstufe sind es 68 Stunden (Ö: 589, OECD: 657). Die Zahl der Unterrichtstage liegt in Österreich mit 180 in allen Schulformen fast im OECD-Schnitt (Volksschule: 183, Sekundarstufe 1: 181, AHS-Oberstufe: 180), die (allerdings nur für Pflichtschullehrer definierte) Jahresarbeitszeit indes darüber (Ö: 1.776; OECD: 1.622 für Volksschule, 1.645 für Sekundarstufe I). (D4.1)