EU

Orban vor Abstimmung: EU-Bericht verletzt „Ehre der Ungarn“

Orban bei der Debatte am Dienstag in Straßburg.
© Reuters

Am Mittwoch wird im EU-Parlament über ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn abgestimmt. Der ungarische Premier wetterte am Tag vor der Abstimmung über die Europa-Abgeordneten und die EVP, der auch seine Partei Fidesz angehört.

Straßburg – Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat das EU-Parlament für die mögliche Einleitung eines EU-Rechtsstaatsverfahren scharf kritisiert. Das Parlament wolle sein „Land abstempeln und sein Volk“, sagte Orban am Dienstag vor den Abgeordneten in Straßburg. „Ich weiß, dass eine Mehrheit für den Bericht stimmen wird“, sagte Orban. Die Abgeordneten hätten sich schon ihre Meinung gebildet. Die Abgeordneten wollten „eine Regierung, ein Land und ein Volk verurteilen“.

Ungarn habe „mit seinem Blut zur großartigen Geschichte Europas beigetragen“, seine Regierungspartei Fidesz sei die erfolgreichste Partei im Europäischen Parlament. Sein Land habe schwere Blutopfer für Freiheit und Demokratie gegen die Sowjets erbracht und die Grenzen für Ostdeutsche geöffnet.

In dem Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentin, der systematische Einschränkungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn feststellte, gebe es 37 faktische Fehlinformationen. Der Bericht enthalte „Lügen“ und „verletzt die Ehre Ungarns und des ungarischen Volkes“. Die EU agiere besserwisserisch, messe mit zweierlei Maß, das Verfahren widerspreche den Verträgen. Orban sagte kämpferisch, Ungarn werde seine Grenzen weiter verteidigen, „wenn es sein muss, auch Ihnen gegenüber“.

Orban will EVP „reformieren“

Ebenfalls kritisierte Orban die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der ÖVP, CDU, CSU und Orbans rechts-nationale Fidesz angehören. Diese habe „ihren Charakter und ihren eigenen Willen verloren“, erklärte der Politiker auf einer Pressekonferenz in Straßburg.

„Sie ist ständig vorsichtig, laviert herum und tanzt praktisch nach der Pfeife der Liberalen und Sozialisten“, sagte er. „Ich möchte die EVP reformieren, damit sie wieder zu dem Mut zurückfindet, wie ihn Helmut Kohl verkörpert hat.“

Am Mittwoch will das Europaparlament über die Einleitung des Artikel-7-Verfahrens abstimmen. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im äußersten Fall kann das Verfahren zum Entzug von Stimmrechten im EU-Ministerrat führen. Entscheidend wird am Mittwoch das Stimmverhalten der EVP sein, die die stärkste Fraktion stellt.

Die EVP hat sich bisher nicht festgelegt und wollte am Dienstagabend noch einmal mit Orban sprechen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatte klargemacht, dass er sich von seinem ungarischen Parteifreund Zugeständnisse erwartet, etwa in Form der Rücknahme einiger repressiver Gesetze gegen Universitäten und Zivilorganisationen. In seiner Rede am Dienstagnachmittag hatte Orban aber keinerlei Bereitschaft dazu erkennen lassen. (APA/dpa, TT.com)