Literatur

In der Pampa ist die Hölle los

© imago/Roland M¸hlanger

Thomas Raab schickt mit der 70-jährigen Romanfigur Hanni Huber eine neue Hobbydetektivin an den Start. In ihrem ersten Fall stapeln sich die Leichen. Mit Wortwitz und manchem Klischee hält der Autor dagegen.

Von Markus Schramek

Innsbruck –Mein lieber Schwan, in der österreichischen Provinz, da herrschen vielleicht Zuständ’! Selbst im gottverlassenen Kaff Glaubenthal, in dem nur zweimal täglich ein öffentlicher Bus die Gnade hat, anzuhalten. Tief in der Pampa hat Thomas Raab seinen neuen Roman „Walter muss weg“ angesiedelt. Eine 70-jährige Witwe wird in diesem trashig-komischen Beinahe-Krimi (ins Kittchen wandert niemand) zur Ermittlerin wider Willen.

Raab bleibt seinem Erfolgsrezept treu. Nach Hobbydetektiv Willibald Adrian Metzger steckt nun Frau Huber, Hannelore vulgo „Hanni“ mit Vornamen, ihre Nase in Angelegenheiten, die zum Himmel stinken. Lesende Freunde des schriftstellerischen Wieners, einst Lehrer und nunmehr Träger des 1. Österreichischen Krimipreises 2017, werden keine fünf Seiten brauchen, um sich daheim zu fühlen.

Eine haarsträubende Story würzt Raab mit Gags, philosophischen Einsichten („Die Lebenszeit wird weniger, der Bauchumfang mehr“) und textlichen Versatzstücken aus der Schlagerwelt zwischen Roy Black und Nino de Angelo. Passt ja auch gut. Schließlich plärrt draußen am Land derartiges Gesülze ja tatsächlich lautstark aus so manchem Radio mit Stallgeruch.

Actionmäßig drückt Raab, dem Alter seiner Protagonisten zum Trotz, ordentlich auf die Tube. Kaum Zeit zum Luftholen. Doch keine Angst: Sprachlich wird niemand überfordert. „Walter muss weg“ passt gut als unterhaltsame Bettlektüre. Die Verfilmung dieses Stoffs, wie schon die Metzger-Romane zuvor, ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Denn in Glaubenthal gibt es mehr Leichen als Särge. Walter, der grantig-grobe Ehemann von Hanni Huber, hat nach 53 Jahren unter dem Joch einer missglückten Ehe das Zeitliche gesegnet.

„Der Huber“ wird also für tot erklärt, doch sein Begräbnis gerät zum Fiasko. Der Sarg kracht in die Grube, heraus fällt, so tot wie er nur sein kann, Leichenbestatter Albin Kumpf, ein immerhin dorfbekannter Säufer.

Und der Leichenberg wächst. Aus dem Moor wird eine Prostituierte herausgefischt – ermordet, und wenn ja, von wem? Im zugehörigen Freudenhaus verkehrt schließlich die halbe männliche Belegschaft der näheren Umgebung. An irgendwas muss man in Glaubenthal ja noch glauben. Eine vierte Leich’ gibt es auch noch. Aber davon erfährt nur ein kleiner Kreis Eingeweihter.

Reichlich klischeehaft gezeichnet ist das weitere Personal: ein gemischtes Polizistengespann, er klein und dick, sie einen Kopf größer und burschikos, einander spinnefeind und im Zustand des Dauerkeppelns; Bürgermeister und Dorfarzt Kurt Stadlmüller, mit einem Fuß im Kriminal, seinen Sohn Klein Kurti übel vernachlässigend; der bigotte Dorfpfarrer Feiler, der sich einst an der achtjährigen Hanni vergangen hat; und, natürlich, der korrupte Staatssekretär für Inneres, ein angeblicher Saubermann und tatsächlicher Feschak mit einer Vorliebe für Puffbesuche am Land, bizarre Sexpraktiken inklusive. Er ist der Auslöser dieser Jagd nach dem vermeintlichen Prostituiertenmörder.

Denn, so viel darf verraten werden: Raabs Schlusspointe ist ziemlich gut erdacht. Tote wie Walter, dessen Leichnam noch dazu quasi unauffindbar bleibt, müssen so unlebendig gar nicht sein. Und auch ein Scheusal wie er kann, besser spät als nie, seine herzensgute Seite offenbaren.

Roman Thomas Raab: Walter muss weg. Frau Huber ermittelt. Der erste Fall. Kiepenheuer & Witsch 2018, 374 Seiten, 20,60 Euro.