Des Teufels Schauspieler
Ein geplanter Publikumsmagnet zum Saisonsauftakt: Nicholas Ofczarek ist Klaus Manns „Mephisto“.
Von Bernadette Lietzow
Wien –Begleitet von allerhand Stolpersteinen machte Klaus Manns „Mephisto. Roman einer Karriere“, 1936 im Exil veröffentlicht, spät, aber doch selbst Karriere, lange Jahre nach dem Freitod des Autors und dem mutmaßlich gleichen Schicksal des Ebenbildes seines Protagonisten.
Als das Buch 1981 endlich erscheinen darf, führt es die Bestsellerlisten an, István Szabós Verfilmung im selben Jahr bekam einen Auslands-Oscar und bedeutete für den Hauptdarsteller Klaus Maria Brandauer den internationalen Durchbruch. Nun erobert Hendrik Höfgen, der Schauspieler mit immensem Geltungsdrang und lästigen Lastern, den Klaus Mann als Abziehbild seines ehemaligen Schwagers, des Göring-Günstlings Gustav Gründgens, entworfen hat, das Burgtheater.
Vorausschicken muss man, dass sich die Kenntnis von Buch und Film im Lauf der dreieinhalbstündigen Bühnenadaption durch Regisseur Bastian Kraft fast als störend herausstellt, empfindet man viele Szenen doch als reine Nacherzählung. Unbeleckt kann sich diese luxuriös umgesetzte Parabel über den Opportunisten, der als „Affe der Macht“ einem Unrechtsstaat wie hier dem nationalsozialistischen Deutschland dient, sicherlich stärker entfalten.
Prächtiges Schauspielertheater hält der Abend, musikalisch dunkel grundiert von der stets anwesenden Schlagzeugerin Judith Schwarz, allemal bereit. Nicholas Ofczarek entwickelt auf dem die Inszenierung beherrschenden, von turmhohen Videowänden flankierten Laufband (Bühne: Peter Baur) beträchtliche Strahlkraft. Weiß geschminkt, mit Feuer-Mund und meist in teuflisches Schwarz-Rot gewandet, macht Ofczarek hinter diesem Mephistopheles den ebenso eitlen wie klugen Taktiker, den wehleidigen Hasenfuß und radikalen Egozentriker sichtbar. Massig und wendig ist sein Höfgen, verhalten engagiert, wenn er versucht, seinen Geliebten Julien (Simon Jansen), der hier die schwarze Roman-Gespielin Juliette ersetzt, aus den Fängen der Nazis zu befreien oder dem kommunistischen Kollegen Otto Ulrichs (Peter Knaack) beizustehen.
Begleitet und zunehmend verzweifelt kommentiert wird dieser ambivalente Aufsteiger von der Figur des „Sebastian Bruckner“, ein Alter Ego des Autors Klaus Mann, den Kraft mit Blick auf den Charakter des Höfgen als „zweite Seite einer Medaille“ konstruiert hat. Fabian Krüger, der übrigens auffallende Ähnlichkeit mit dem Schriftsteller-Übervater Thomas Mann aufweist, bildet in seiner großartig schlaksigen Fahrigkeit und mit seinem Talent zur präzisen Groteske eine dramaturgisch exzellent gesetzte Luftwurzel im zunehmend dichten Mief dieses „deutschen Erwachens“. Er sammelt Material für seinen Roman, rückt dem Ministerpräsidenten (Martin Reinke als jovial-gefährliche Göring-Gestalt) und dessen Gattin und Schauspielerin Lotte (alias Emmy Göring), die Petra Morzé gekonnt als muttihafte Walküre vorstellt, mit Handkamera zu Leibe und ist zärtlicher Verbündeter seiner kämpferischen Schwester Barbara (Dörte Lyssewski brilliert als literarisierte Erika Mann).
Mit „entartetem“ Glamour bereichern Sylvie Rohrers (Dora Martin alias Elisabeth Bergner) Gesangseinlagen diese Premiere, die am Dienstag ein hellauf begeistertes Publikum in die Wiener Nacht entließ.