Que Du Luu: Die Welt in der Literatur finden
Die Internationalen Literaturtage „Sprachsalz“ halten ein abwechslungsreiches Programm für Literaturbegeisterte bereit.
Hall in Tirol – Literaturinteressierte dürfen sich auf ein abwechslungsreiches Wochenende bei den diesjährigen Internationalen Literaturtagen „Sprachsalz“ in Hall freuen, die von 14. bis 16. September im Parkhotel in Hall stattfinden werden. Neben experimentellen Veranstaltungskonzepten, wie zum Beispiel einer literarischen Vogelbeobachtung, präsentieren zahlreiche Autorinnen und Autoren, u. a. David Schalko, Meret Gut oder Mark Z. Danielewski, ihre Texte. Que Du Luu liest heute Abend aus ihrem Roman „Im Jahr des Affen“ (Königskinder Verlag). Die chinesischstämmige Autorin floh nach Ende des Vietnamkriegs mit ihrer Familie wie Millionen andere „Boatpeople“ über das Meer. Die TT hat mit der Schriftstellerin gesprochen.
Sie flüchteten mit Ihrer Familie von Südvietnam nach Deutschland. An welche Eindrücke erinnern Sie sich am intensivsten?
Que Du Luu: Als wir gerade in Deutschland angekommen waren, gingen mir manchmal zwei Szenen durch den Kopf: wie ich im Dunkeln hin und her rolle, von ganz oben nach ganz unten und es nach Erbrochenem stinkt. Eine andere Erinnerung, die auch oft auftaucht, ist, dass ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern in einer Gefängniszelle sitze. Heute weiß ich, dass beides mit der Flucht zusammenhing. Die erste Erinnerung stammt von einer Sturmnacht auf dem Meer, die zweite von einem Singapurer Gefängnis. Wir durften nicht in Singapur bleiben. Deshalb mussten wir weiter nach Thailand fliehen. Dort haben wir ein Jahr in einem Flüchtlingslager verbracht. Als Kind habe ich diese Bilder nicht unmittelbar mit der Flucht in Verbindung gebracht. Später habe ich diese Ereignisse vergessen. Erst beim Schreiben meines dritten Romans „Im Jahr des Affen“ sind diese Szenen wieder aufgetaucht. Die Erinnerungen an die Flucht sind keineswegs konkret, sondern ähneln eher diffusen Traumfragmenten.
Wann haben Sie begonnen, literarisch zu schreiben?
Luu: Erst mit etwa 28 kam mir in den Sinn, was ich wirklich werden will, nämlich Schriftstellerin. Für mein Umfeld klang das verrückt. Ich brauchte Lebenserfahrung, um überhaupt schreiben zu können.
Welche Rolle spielt China in Ihren Texten?
Luu: In meinen ersten beiden Romanen spielt China keine Rolle. Erst in meinem dritten Roman kommt die chinesische Abstammung vor. Die Erklärung dafür ist, dass das Chinesische in meinem Leben nicht so im Vordergrund stand. Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Meine Eltern haben sehr viel in ihrem Chinarestaurant gearbeitet und hatten dadurch wenig Einfluss auf mich. Mein chinesisches Aussehen war für mich eher unangenehm, weil ich als Kind oft gehänselt wurde. Ich wollte immer Deutsche sein und wahrscheinlich hat es deshalb so lange gedauert, bis ich mich mit meinen chinesischen Wurzeln auseinandergesetzt habe.
Ihr Roman „Im Jahr des Affen“ handelt von der Suche nach einer geografischen und geistigen Heimat. Beschäftigen Sie sich viel mit Ihrer Herkunft?
Luu: Ich werde oft gefragt, was an mir chinesisch und was deutsch ist und wie ich mich fühle. Mir ist jedoch im Laufe der Jahre bewusst geworden, dass die Herkunft für meine Identität gar nicht so ausschlaggebend ist.
Waren Sie jemals wieder in Vietnam, der Heimat Ihrer Eltern?
Luu: Meine Eltern waren schon ein paar Mal in Vietnam. Ich hatte zunächst kein Bedürfnis, dorthin zu fahren, weil mir die Erinnerung an diesen Ort fehlt. Nachdem ich aber meinen Roman geschrieben hatte, bin ich 2015 tatsächlich das erste Mal dorthin gereist.
Wie war es für Sie in Vietnam? Entstand ein Gefühl der Zugehörigkeit?
Luu: Wir sind durch das Land gereist und haben auch jene Orte besucht, wo meine Eltern gewohnt haben. Die Atmosphäre, die Straßen und die Gerüche kamen mir vertraut vor. Wir haben auch oft in Garküchen gegessen und obwohl ich eigentlich einen empfindlichen Magen habe, hatte ich nie gesundheitliche Probleme. Das war erstaunlich. Mir ging es körperlich richtig gut, es fühlte sich an, als könnte mein Körper sich erinnern.
Das Gespräch führte Gerlinde Tamerl
Sprachsalz Programm-Highlights
Lesungen am Freitag, 14.09. 13 Uhr: Eröffnungslesung mit Bernd Schuchter, 14 Uhr: Jürgen und Thomas Roth, 17 Uhr: Yannick Haenel, 18 Uhr: Que Du Luu
Lesungen am Samstag, 15.09. 11 Uhr: Amuse Bouche — Spaziergang mit Vogelschau, 14 Uhr: Mark Z. Danielewski, 16 Uhr: Serhij Zhadan, 20.30 Uhr: David Schalko
Lesungen am Sonntag, 16.09. 14 Uhr: Andrzej Stasiuk, 17 Uhr: Meret Gut, Ab 18 Uhr: SprachsalzClub mit Mark Z. Danielewski
Kurzlesungen für Kinder Samstag, 15.09, 16 Uhr und 17 Uhr sowie Sonntag, 16.09, 15 Uhr. Alle Programminformationen unter: www.sprachsalz.com