Migrationskonferenz in Wien: Kickl für Sammellager in Afrika
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat scharfe Kritik an EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos geübt, weil dieser die praktische Umsetzung des Plans von Anlande- und Ausschiffungsplattformen in Nordafrika bezweifelt hat.
Wien – Knapp eine Woche vor dem EU-Gipfel in Salzburg gibt es in einer zentralen Frage der künftigen europäischen Migrationsstrategie Misstöne zwischen dem österreichischen Ratsvorsitz und der EU-Kommission. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat EU-Migrationskommissar Dimitris Avromopoulos am Freitag vorgeworfen, in der Frage der Anlandeplattformen „die Flinte ins Korn zu werfen“.
Es sei „ein schlechtes Signal, jetzt zu verkünden, dass alles keinen Sinn macht“, sagte Kickl zum Auftakt eines EU-Afrika-Treffens in Wien in Richtung Avramopoulos, der am gestrigen Donnerstag öffentlich die Umsetzbarkeit der vom EU-Gipfel im Juni beschlossenen Schaffung von Anlande- und Ausschiffungsplattformen in Nordafrika bezweifelt hatte. „Die Idee ist in etwa zwei Monate alt, und nach zwei Monaten wirft der Herr EU-Kommissar offenbar schon die Flinte ins Korn“, erlaubte sich Kickl ein „kritisches Wort in Richtung Kommissar Avramopoulos“.
Der Politiker der EU-kritischen FPÖ erinnerte in diesem Zusammenhang daran, „wie lange andere Sachen“ auf europäischer Ebene beraten werden. So werde etwa seit neun Jahren über den Schutz der EU-Außengrenzen gesprochen, über die Umsetzung des Austausches von DNA-Daten zwischen den Mitgliedsstaaten sogar schon seit 2004. Kickls Kritik kommt zwei Tage, nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union den österreichischen EU-Ratsvorsitz zu Lösungen in der Migrationsfrage aufgerufen hatte. Die EU könne nicht über jedes ankommende Schiff streiten. „Ad hoc-Lösungen reichen nicht aus“, hatte Juncker am Mittwoch betont.
Eine Sprecherin des EU-Kommissars nahm auf APA-Anfrage nicht zur Kritik Kickls Stellung, bekräftigte aber die Position von Avramopoulos. Zugleich betonte sie, dass es weiterhin Verhandlungen über „regionale Ausschiffungsvereinbarungen“ gebe. Avramopoulos hatte am Donnerstag gesagt, dass bisher kein afrikanischer Staat zur Errichtung der umstrittenen Plattformen bereit sei. Der Vorschlag von Camps oder Plattformen sei daher „unmöglich“, sagte er bei der Vorstellung seiner Asylstrategie in Brüssel. „Was möglich ist, ist Kooperation“, fügte er hinzu.
Avramopoulos optimistisch
Kickl bekräftigte dagegen, dass die umstrittenen Plattformen in Afrika „sicherlich auch ein Thema“ des Wiener Treffens sein werden. Er verwies diesbezüglich auf die „klaren Vorgaben“ des EU-Gipfels im Juni und bekräftigte seine Position, dass „zusätzliche Pull-Faktoren“ unterbunden werden, indem Migranten dorthin zurückgebracht werden, „wo sie die Schiffe bestiegen haben“. „Das heißt nicht, dass wir dort irgendwelche europäischen Strukturen aufbauen sollten“, erläuterte Kickl. Vielmehr gehe es darum, dass die afrikanischen Staaten ihre Verantwortung wahrnehmen. Der Innenminister wiederholte auch seine Kritik an den Rettungsaktionen im Mittelmeer. Der Begriff der „Seenotrettung“ werde nämlich „zu Unrecht verwendet, weil es Teil des Schlepperkonzeptes ist, Menschen in Seenot zu bringen.“
Avramopoulos äußerte sich bei seinem Eintreffen demonstrativ optimistisch, was das Treffen mit Vertretern aus Ägypten, Algerien, Libyen, Mali, Marokko, Niger und dem Tschad betrifft. „Das Ergebnis des heutigen Treffens wird den Weg ebnen und ein neues Kapitel in unseren Beziehungen öffnen“, sagte er. „Die nordafrikanischen Staaten und die Europäische Union sind mit den selben Herausforderungen konfrontiert und haben die gleiche Pflicht, Migration und Sicherheitsfragen anzugehen“, betonte der EU-Kommissar. Er sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Zusammenarbeit auf der Grundlage „von gegenseitigem Vertrauen“ aus.
Kickl räumte ein, dass die Interessen der EU und Afrikas auf den ersten Blick „nicht kompatibel“ seien. Doch werde sich zeigen, dass beide Seiten ein großes Interesse an einem effektiven EU-Grenzschutz und einer Bekämpfung der Fluchtgründe in den Herkunftsstaaten haben sollten. „Wir wollen ein Gespräch auf Augenhöhe, wir wollen eine Win-Win-Situation aller Beteiligten“, betonte Kickl.
Salvinis Auftritt mit Spannung erwartet
Als Modell für die künftige Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten hob er jene zwischen der EU und den Westbalkan-Ländern hervor. Sie sei „ein gutes Beispiel, was man erreichen kann“ bei der Bekämpfung von Kriminalität und illegaler Migration, verwies er auf das am Donnerstag stattgefundene EU-Westbalkan-Treffen, bei dem eine Ausweitung der Polizeikooperation vereinbart worden war.
An dem Treffen nehmen auch die Innenminister von Frankreich (Gerard Collomb), Italien (Matteo Salvini) und Spanien (Fernando Grande-Marlaska) teil. Mit Spannung wurde vor allem der Auftritt Salvinis erwartet, der in den vergangenen Monaten mit seiner harten Linie gegenüber Flüchtlingsschiffen die EU-Migrationspolitik aufgemischt hatte. Erst am Freitag ließ er zudem die tags zuvor vom deutschen Innenminister Horst Seehofer verkündete Einigung auf ein Rücknahmeabkommen für Asylbewerber dementieren. Salvini wollte in Wien neben Collomb und Avramopoulos auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) treffen und mit ihm am Nachmittag vor die Presse treten. Bei seinem Eintreffen im Austria Center äußerte sich Salvini nicht, Kickl und Avramopoulos wollten am Nachmittag eine Pressekonferenz geben. (APA)