Kaleidoskop der kraftvollen Klangereignisse
Rebecca Saunders, als Komponistin, Pädagogin und Persönlichkeit Mittelpunkt des Klangspuren-Festivals, war eine Personale gewidmet.
Von Ursula Strohal
Innsbruck — Rebecca Saunders' Musik war im Verlauf des Klangspuren-Vierteljahrhunderts immer wieder zu erleben. Nun, im Jubiläumsjahr des Tiroler Festivals für Neue Musik, nahm sie die Einladung von Kurator Matthias Osterwold an, bei dem nun laufenden Tiroler Festival für Neue Musik als Composer in Residence zu fungieren. Osterwold, seit diesem Jahr auch für die Neue Musik bei der Ruhr- triennale verantwortlich, hat drei Werke von Saunders aus jüngeren Jahren schon dort vor Hunderten Zuhörern präsentiert, in Kenntnis ihres Ranges, der die 50-jährige Britin als Publikumsmagnet ausweist.
Saunders, die bei Nigel Osborne und Wolfgang Rihm studierte, lebt schon lange in Berlin und entwickelte sich dort mit unverkennbarer Klangsprache und Sensibilität zu einer führenden Persönlichkeit der gegenwärtigen Komponistenszene. In Schwaz wurde sie nun zu einem Epizentrum des Klangspuren-Festivals: arbeitete mit den 36 Stipendiaten der Internationalen Ensemble Modern Akademie, stellte sich in einem Klangspuren-Café und in Konzert-Einführungen, erlebte viele Aufführungen ihrer Werke, darunter österreichische Erstaufführungen, und wurde vergangenen Freitag in der Aula der SoWi (Uni Innsbruck) mit einem Porträtkonzert geehrt. Niemand Geringerer als das Ensemble Modern, dessen jährliche Akademie heuer zum 15. Mal stattfand, war dafür mit seinen grandiosen Musikern aufgeboten.
Saunders braucht solche Interpreten, die sich auf ihre Musik einlassen, die zu feinsten Valeurs fähig sind und mit äußerster Genauigkeit Tonhöhen, Lautstärken, emotionalen Gehalt sowie kleinste musikalische Gesten beantworten und weitertragen können. Die wissend vor ihren Noten sitzen, im besten Sinn routiniert und so mit Material und Hintergrund vertraut, dass beides nicht nur musizierend, sondern an die Studierenden auch verbal vermittelt werden kann.
„Fury II für Kontrabass und Ensemble" wuchs aus einem Solo-Kontrabass-Stück, die Furien geräuschhafter Naturgewalten brechen in eruptiven Clustern ein in ein Innenleben aus Stille und Farbe. Paul Cannon ist die emotionsreiche Stimme des Kontrabasses, aber nicht mehr allein auf der Welt, sondern ihr ausgesetzt. Wer Bilder und Begriffe braucht, kann auf Autoren wie Samuel Beckett, James Joyce oder Italo Calvino zurückgreifen, von denen Saunders sich angeregt fühlt.
„A visible trace für elf Solisten und Dirigent" entstand vor „Fury II", wirkt aber wie dem Stück fortgeschrieben. Was Saunders als ein Kerninteresse formuliert, den „Übergang zwischen Nicht-Klang und etwas Konkretem, aus der Stille in die Stille, von Geräusch in Klang", liegt hier durch die Beruhigung noch offener.
Abgesehen von inhaltlichen Bildern: Eruption und Subtiles überlagern sich nicht, lösen sich ab, wer wem kurzfristig weicht, ist keine Frage des Sieges, sondern natürlicher Permanenz, immer im Gleichgewicht. Die Kraft des Leisen, die Überlebenskraft vielleicht, ist der durch die unerschöpfliche Fantasie allmähliche Wechsel im Gesamtduktus, wobei die solistisch sich äußernden Instrumente in Charakter und Eigenschaft bei sich bleiben.
In „Skin für Sopran und 13 Instrumente" bringt die Stimme weitere subtilste Bewegung ins Klangkaleidoskop. Die Haut als Membran, verletzlich, stark, durchlässig und doch trennend. Saunders steigert nicht, sie intensiviert. Ein Fest der Sinne und neuen Hörerlebnisse. Juliet Frasers brillante Vokalkünste haben entscheidenden Anteil an dem faszinierenden Werk. Vimbayi Kaziboni war das dirigentische Orientierungszentrum.