TT-Interview

Eine Frau als Kameramann: „Wir leben von Geschichten“

Beim „Innsbruck Film Campus“, der bis morgen läuft, hielt Daley eine Masterclass mit dem Titel „Colour: It’s not all black and white.“
© Daniel Jarosch

Beim „Innsbruck Film Campus“ war eine der wenigen Kamerafrauen mit internationalem Ruf als Speaker geladen. Mit der TT sprach Nicola Daley über Farbe und die Zukunft des Kinos.

Googelt man Ihren Namen, erhält man die Berufsbezeichnung „Kameramann“. Wieso üben so wenig Frauen Ihren Job aus?

Nicola Daley: Die gute Nachricht ist: Es werden zunehmend mehr. In England stehen wir derzeit bei sechs Prozent. Man wird als Frau im Job mit einer Menge Vorurteilen konfrontiert. Etwa, dass wir es nicht schaffen, eine Kamera zu halten. Natürlich lächerlich. Mit Sexismus wurde auch ich selbst konfrontiert. Da braucht man schon ein dickes Fell. Junge Kamerafrauen brauchen Vorbilder wie Mandy Walker, eine australische Kamerafrau, die in Hollywood inzwischen die ganz großen Filme macht.

In Ihrer Masterclass hier beim Film Campus geht es um Farbe.

Daley: Genau. Wir haben vor allem über die Geschichte der Farbtheorie gesprochen und wie wir Farbe wahrnehmen. Zentrale Figur hierbei: Vittorio Storaro, ein berühmter italienischer Kameramann. Ein weiteres Thema war die Malerei: William Turner oder Matisse. Wenn man versteht, wie Farben im Gehirn wahrgenommen werden, kann man diese Tricks auch dementsprechend im Film einsetzen.

Woher kommt die Inspiration für Ihren Film „Pin Cushion“, der beim Film Campus gezeigt wurde?

Daley: Die Fotografien von Alex Prager oder William Eggleston lieferten die Inspiration. Eggleston hat ja auch Filme wie „The Virgin Suicides“ stark beeinflusst. Für „Pin Cushion“ war besonders seine Verwendung unterschiedlicher Farben und Lichtsituationen interessant. Er hat mithilfe von Licht die Farben verändert, abgeschwächt oder verstärkt, ähnliche Versuche haben wir auch unternommen.

Besonders ins Auge stach dabei eine Art Überblendungstechnik.

Daley: Genau, die haben wir dazu benutzt, um die Träume der Hauptdarstellerin Iona darzustellen. Mithilfe eines In-Camera-Effekts – wobei man die Linse mit einem Fremdkörper manipuliert – entstehen Effekte wie bei Doppelbelichtungen. Das Stilmittel, eine Art Spiel mit Spiegelungen, passte, weil Iona sich im Film erst selbst kennen lernt, ihre Sexualität entdeckt.

Ihr nächstes Projekt bringt Sie zurück nach Australien, wo Sie bereits studiert haben.

Daley: Genau. Ich werde dort eine TV-Serie für Netflix drehen.

Netflix ist ein gutes Stichwort. Verändern Streamingplattformen die Art, wie wir Filme sehen?

Daley: Ich glaube, das haben sie bereits. Zuerst meinte man, man werde Filme nur noch auf kleinen Displays sehen, zugleich besitzt jeder diese großen Fernseher zu Hause. Was ich toll finde: Es gibt viel mehr Content. Wir leben vom Geschichtenerzählen, das wird sich auch nicht ändern.

Auf den Filmfestivals herrscht vor allem die Angst, dass das klassische Kino damit ausstirbt.

Daley: Das Kino ist ganz eine andere Situation als zu Hause. Ich schätze dieses Umfeld sehr, aber ich bin auch nicht mehr die jüngste Generation. Was mich aktuell mehr interessiert, sind Trends wie Virtual Reality, ein wirklicher Paradigmenwechsel auf dem Gebiet der Wahrnehmung. Malerei, Theater sind bis zu einem gewissen Grad mit einem Rahmen versehen. Diese Einschränkung fällt bei Virtual Reality, wo sich der Zuschauer inmitten einer neuen Realität befindet. Wie schafft man es da, die Blicke des Zuschauers zu lenken? Das wird eine große Herausforderung für alle zukünftigen Kamerafrauen.

Das Gespräch führte Barbara Unterthurner.

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