TT-Magazin

Sommer geht zur Ruh’, Berghütten sperren zu: Tiroler Wirte erzählen

Obstansersee-Hütte in Osttirol.
© bodner

Was nicht gegessen wird, muss wieder ins Tal geschleppt werden: Fünf Tiroler Wirte lassen die Sommersaison Revue passieren und erzählen, wie sie die Berghütten winterfest machen.

Von Theresa Mair

Vom Sattel in die Luft

Bis 1995 trug ein Pferd alles, was man für einen Hüttensommer brauchte, auf die auf 2300 Metern gelegene Obstansersee-Hütte. 1991 arbeitete Heinz Bodner das erste Mal in der 1930 erbauten Einkehr. „Mit Widerwillen“, wie er sagt. „Ich wollte im Gastgewerbe andere Wege gehen.“ Er blieb. 1995 übernahm Bodner mit seiner Frau Patricia die Hütte in Osttirol, die davor schon sein Großvater und Vater bewirtet hatten und sattelte vom Pferd auf Hubschrauberversorgung um. „Salat, Obst und Gemüse tragen wir aber herauf. Zwei, drei Freunde helfen dabei.“ Zwei- bis dreimal wöchentlich geht er selbst die zweieinhalb Stunden ins Tal nach Kartitsch, wo er in seinem Gasthaus nach dem Rechten schauen muss.

Vergangenen Sonntag fingen die Bodners, die bei der Bewirtung der Gäste von den drei Töchtern sowie zwei Studenten unterstützt werden, mit dem Aufräumen an, damit bis zum 30. September alles erledigt ist. Der Sommer neigt sich dem Ende zu, schon jetzt kommen weniger Gäste. „Die Decken müssen gewaschen werden. Das Bier kommt in den See. Wein, Säfte, Kaffee werden im Keller gelagert“, schildert Bodner. Am vorletzten Tag wird das Wasser ausgelassen, Leitungen gecheckt, das Kraftwerk abgeschaltet, die Kläranlage entleert. „Je moderner die Hütte, desto mehr Arbeit hat man. Früher haben wir den ganzen Tag mit Freunden mitgefeiert.“ Die Freunde kommen aber auch heute noch zum Restln-Austrinken. Denn was übrig bleibt, muss getragen werden.

Bettelwurfhütte im Karwendel.
© Art

Frischer Wind am Bettelwurf

Christine Art kostet das Abenteuer voll aus. Seit 30. Mai ist sie nicht mehr von der Bettelwurfhütte im Karwendel oberhalb von Absam ins Tal gekommen. Art und ihr Lebensgefährte Ralf Kress verbringen ihren ersten Sommer als Wirtsleute.

„Wir haben eine Materialseilbahn. Einmal in der Woche bekommen wir so Lebensmittel und Bier auf Bestellung geliefert“, erzählt sie. Müll und Fäkalien werden ebenfalls über die Seilbahn abtransportiert. Ansonsten ist die Hütte nur über einen schwarzen Bergweg erreichbar. Kress nimmt den Fußmarsch alle zehn Tage auf sich, um Erledigungen zu machen. „Am Anfang war das viel Selbstfindung. Wir hatten keine Übergabe mit den Vorpächtern. Die Hütte wird von drei Quellen versorgt, die wir mit dem Hüttenwart angeschlossen haben.“

Wenn zugesperrt wird, müssen die Wasserleitungen wieder abgebaut sein, damit sie nicht von Lawinen mitgerissen werden. „Wasch- und Spülmaschine müssen wir zerlegen, damit kein Wasser drin bleibt, das gefrieren kann. Und wir müssen den Winterraum herrichten.“ Während der Woche werde es schon ruhiger, doch am 5. Oktober steigt noch ein Fest für Stammgäste. Von ihnen hätten sie bereits viele. „Die kommen auch am Abend noch auf ein Bier.“ Nach dem 14. Oktober rechnet Art noch mit drei Tagen Aufräumarbeiten. Dann freut sie sich, wieder ihre Tochter Luisa im Tal zu sehen. „Wenn das Wetter passt, schauen wir vielleicht im November noch einmal herauf.“

Der Abschied fällt schwer

Verena Salcher mag nicht gehen. Am 7. Oktober sperrt sie die Tür der Tribulaunhütte für dieses Jahr zu und wird erst im Frühjahr wieder kommen. „Es tut mir wirklich immer leid, wenn wir gehen müssen. Ich bin gern heroben und heuer war eine sehr gute Saison“, sagt sie. Und sie ist nicht alleine. Vier Generationen der Familie helfen zusammen. Oma und Mama sind immer da, im Sommer auch die Kinder. Ebenso wenn Salcher einmal in der Woche ins Tal nach Gschnitz geht, um dort Kasknödel vorzubereiten – „da würde sonst die ganze Hütte stinken“ –, die E-Mails zu checken und Besorgungen zu machen.

Die Großfamilie von Verena Salcher gehört bereits seit 45 Jahren zum Inventar der Gschnitzer Tribulaunhütte (Naturfreunde, 2064 Meter) in den Stubaier Alpen.
© Salchner

Die Hälfte der Strecke kann sie mit dem Jeep zurücklegen, dann kommen die Lebensmittel in den Aufzug und werden dann noch den Rest des Weges mit dem Schubkarren geschoben. Helfer bringen ihr täglich frischen Kuchen und was sonst noch an Lebensmitteln benötigt wird hinauf. Was Salcher für die letzten Wochen noch braucht, damit nicht zu viel übrig bleibt, hat sie im Gespür, den Wetterbericht im Auge. Immerhin haben bereits Salchers Eltern die Hütte 39 Jahre lang gepachtet. Seit sechs Jahren ist sie die Wirtin. Zum Putzen und Aufräumen plant sie 14 Tage ein.

„Um den 25. September kommt immer der Kaminkehrer. Dann geht es los“, sagt sie. Nacheinander werden die Lager gereinigt, die Teppiche kommen ins Tal, die Gartenmöbel müssen verräumt werden. Die Wasserturbine wird abgeschaltet und der Kamin abgebaut. „Zum Schluss mache ich nur noch die Läden zu.“ Noch niemand von der Familie hat die Tribulaunhütte je im Winter besucht. Es sei zu lawinengefährlich. „Wir wissen nur, dass die Hütte im Winter vom Schnee eingeweht ist.“

Planung ist das Hüttenleben

Zwei Wecken Brot und acht Liter Milch dürfen Mirjam und Harald Schultes im Schnitt noch jeden Tag verbrauchen. Dann geht es sich genau bis zum Hüttenschluss auf dem Württemberger Haus oberhalb von Zams am 23. September aus. Den elften Sommer bewirten sie das Haus in den Lechtaler Alpen bereits und sie haben sich über die Jahre Notizen gemacht, um den Lebensmittelverbrauch planen zu können: Wie viel von welchen Lebensmitteln in die drei Tiefkühltruhen passen, wie viel Brot sie backen müssen, wie viel Faschiertes vorhanden sein sollten.

„Wenn wir heraufgehen, ist das Lager pumpvoll. Das reicht bis Anfang August. Dann haben wir eine Nachversorgung mit dem Heli“, erzählt Harald Schultes. Wenn im September noch etwas ausgeht, muss es in einem drei- bis vierstündigen Fußmarsch heraufgetragen werden. Außer es ist zufällig ein Überflug geplant, bei dem kurz etwas abgeladen werden kann. Oder Jäger, die im Zammer Loch unterwegs sind, bringen mit, was fehlt.

Extra einen Heli zu bestellen, wäre viel zu teuer. „Wenn jetzt die Spaghetti bolognese ausgehen, dann gibt es sie halt nicht mehr. Die Gäste sind da aber einsichtig“, sagt er. In den nächsten Tagen beginnen die Schultes mit dem Putz. Zuerst die Küche, dann wird das Notlager dichtgemacht. Das Reinigen der Kläranlage nimmt einen halben Tag in Anspruch. Die Wäsche wird im Tal gewaschen.

Am 22. September kommen die engsten Freunde. Schultes vernagelt am 23. noch die Fenster, bevor mit vereinten Kräften die wenigen Reste ins Tal getragen werden.

Mit den Hühnern am Rücken

Nur ein halber Sack Kartoffeln und zwei Wecken Brot sind vergangenes Jahr auf der Olpererhütte oberhalb des Schlegeis Stausees im Zillertal übrig geblieben. Dafür musste Katharina Daum 40 Hühner mit der Buckelkraxe ins Tal tragen. „Pannen passieren immer wieder. Es war am letzten Tag so neblig, dass der Hubschrauber nicht fliegen konnte“, erzählt sie.

Die schönen Momente machen die beschwerlichen Seiten wieder wett. „Wir haben noch sieben Ziegen hier und 150 Schafe von den örtlichen Bauern, auf die wir mit unserem Husky aufpassen“, schildert sie. Doch ohne die Hilfe ihres Sohnes Manuel und der bis zu sieben Mitarbeiter könnte sie die 17-Stunden-Arbeitstage nicht stemmen. „Um acht in der Früh kommt das erste Tiroler Gröstl mit frischem Ei auf den Tisch, das letzte um acht am Abend. Viele Gäste sehen den Aufwand und sie freuen sich“, sagt sie.

Wenn Daum ins Tal geht, dann meistens nachts. „Da bin ich schneller. Ich brauche vier Stunden, bis ich daheim in Kaltenbach bin, und vier Stunden, bis ich wieder auf der Hütte bin. Bei Gewitter kann es allerdings schon sein, dass ich ein paar Stunden im Auto warten muss.“

Sie freut sich, wenn die Saison nun zu Ende geht und sie die Hütte tipptopp geputzt verlassen kann. „Die Natur braucht auch eine Pause. Die Bäche, die man queren muss, vereisen schon, das wird dann gefährlich.“ Im Frühjahr kehrt sie dann voller Elan zurück.