Zeitumstellung

Forscher: Dauerhafte Sommerzeit macht nicht dicker und dümmer

Die Flexibilität unserer biologischen Uhr sollte man laut den Salzburger Schlafforschern nicht unterschätzen. (Symbolfoto)
© APA/Jens

Zwei Salzburger Schlafforscher haben sich gegen „Panikmache“ bei der Einführung der permanenten Sommerzeit ausgesprochen. Ein viel größeres Problem für den Biorhythmus sei die nächtliche Nutzung von Smartphones und Laptops.

Salzburg – Die Einführung der permanenten Sommerzeit würde die Europäer „dicker, dümmer und grantiger“ machen, warnte vor Kurzem der Chronobiologe Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München. Zwei Salzburger Schlafforscher weisen die Aussage nun als Panikmache zurück. Aus der wissenschaftlichen Datenlage könne laut Manuel Schabus und Christine Blume vom Schlaflabor der Universität Salzburg keine klare Empfehlung pro oder contra Sommerzeit abgeleitet werden. Ein weit größeres Problem für den Biorhythmus als eine Stunde länger Dunkelheit in der Früh bzw. länger Tageslicht am Abend sehen die Salzburger Forscher dagegen in der nächtlichen Nutzung von künstlichem Licht.

Zeitumstellung machte laut Umfrage nur wenig zu schaffen

Rund 80 Länder der Welt stellen zweimal jährlich die Zeit um. Am letzten Märzwochenende wurden bisher die Uhren in Europa eine Stunde vorgerückt, am letzten Oktoberwochenende ging es andersherum. Vielen Menschen hätte der Umstieg von der Winter- auf die Sommerzeit in den ersten Tagen der Umstellung zu schaffen gemacht, sehen auch die Salzburger Forscher so. Von Schlafstörungen, Leistungsabfall und sogar erhöhtem Herzinfarktrisiko werde berichtet, wobei sich die Effekte mit der Umstellung im Herbst egalisieren. Ganz andere Ergebnisse liefert eine Umfrage namens „Wie schläft Österreich?“, die die Salzburger Schlafforscher derzeit durchführen: Die meisten Österreicher hätten demnach keine oder nur leichte Probleme mit der Zeitumstellung (72 Prozent).

Nichtsdestotrotz steht nach der europaweiten Umfrage der EU-Kommission nun die permanente Zeitumstellung auf dem Plan. Eine deutliche Mehrheit hat sich bei der weiteren Befragung für die Sommervariante ausgesprochen. Daran gab es einige Kritik. Der deutsche Schlafforscher Roenneberg warnte etwa vor einem „Cloxit“: Man erhöhe die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme. Zudem würden uns Länder, die nicht dauerhaft die Sommerzeit einführen, „akademisch überholen“, weil dort Studenten nicht an chronischem Schlafmangel leiden würden. Bei permanenter Sommerzeit verschlechtere sich insgesamt die Passung zwischen natürlichen Lichteinflüssen und dem Schlaf-Wach-Rhythmus.

Prognose von Roenneberg sei Panikmache

Schabus und Blume von der Universität Salzburg entgegnen darauf nun: „Es gibt keine gut kontrollierte Studie zur dauerhaften Sommerzeit und die Faktoren, die auf den Schlaf wirken, sind komplex. Die fatalen Effekte, die Herr Roenneberg prophezeit, sind unserer Ansicht nach nicht zu erwarten.“

„Die Flexibilität unserer biologischen Uhr“ sollte man laut den beiden Schlafforschern nämlich nicht unterschätzen: „Wir können große Unterschiede in der Länge der Tage und Nächte im Jahresverlauf kompensieren und uns theoretisch sogar an Tage anpassen, die länger als 24 Stunden sind, wie beispielsweise ein Tag auf dem Mars“, unterstrich Blume. Es sei daher wenig wahrscheinlich, dass eine Stunde länger Dunkelheit in der Früh bzw. eine Stunde länger Tageslicht am Abend für die Gesundheit unserer Gesellschaft solch drastische Konsequenzen haben wird.

Den „sozialen Jetlag“ (die Diskrepanz zwischen auferlegten Zeitplänen und individuellem Schlafverhalten), der nach Roenneberg durch permanente Sommerzeit verstärkt würde, relativieren die Forscher: „Selbst wenn die permanente Sommerzeit den sozialen Jetlag begünstigen sollte, ist nicht von solch dramatischen Folgen auszugehen“, sagt Blume. „Wir können große Unterschiede in der Länge der Tage und Nächte im Jahresverlauf kompensieren und uns theoretisch sogar an Tage anpassen, die länger als 24 Stunden sind wie beispielsweise ein Tag auf dem Mars.“ Sozialer Jetlag bedeute außerdem nicht automatisch ein Schlafdefizit, sondern könne auch einfach die Folge eines aktiveren Soziallebens sein, etwa am Wochenende zwei Stunden später zu Bett zu gehen und auch aufzustehen. Viele Studien würden zeigen, dass das wiederum ein enorm wichtiger Gesundheitsfaktor ist.

Außerdem gäbe es weltweit viele Regionen, auch in Europa, zum Beispiel in Frankreich und Spanien, in denen die Menschen immer in der „falschen“ Zeitzone leben – ohne dass dies große Auswirkungen hat. „Aus wissenschaftlicher und chronobiologischer Sicht wäre es aufgrund der aktuellen Datenlage aus unserer Sicht unseriös, eine klare Empfehlung für dauerhafte Sommer- oder Winterzeit in Zentraleuropa abzugeben“, resümierten Schabus und Blume.

Größeres Problem: Nächtliche Smartphone-Nutzung

Was hingegen tatsächlich einen gesunden Schlaf-Wachrhythmus oft total aus dem Takt bringt, sei laut Studien der Trend in der modernen Gesellschaft, die Nacht zum Tag zu machen. „Besonders problematisch ist demnach die Tatsache, dass sich viele Menschen noch kurz vor dem Zubettgehen intensiv mit ihrem Smartphone beschäftigen oder am Laptop arbeiten“, warnten die Schlafforscher. Die starken Blauanteile des Lichts, mit dem die Leuchtdioden diese Geräte beleuchten, seien „wahre Schlafräuber“. Bei Fragen zum Handygebrauch hätte fast die Hälfte der Teilnehmer der Umfrage „Wie schläft Österreich?“ angegeben, das Smartphone bis weniger als zehn Minuten vor dem Schlafengehen zu benutzen. „Das kann ein wirkliches Problem sein. Die möglichen Effekte durch die Sommerzeit sind im Vergleich dazu vernachlässigbar“. so Blume.

Die Schlafforscher resümieren, dass es „aus wissenschaftlicher und chronobiologischer Sicht unseriös“ wäre, eine klare Empfehlung für dauerhafte Sommer- oder Winterzeit in Zentraleuropa abzugeben. Beim Kongress der Europäischen Schlafforschungsgesellschaft, der vom 25.-28. September in Basel stattfindet, wurde eine Expertenrunde zum Thema einberufen – eine Stellungnahme führender europäischer Wissenschaftler wird erwartet. (TT.com)

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