Polizei

Innenministerium will Umgang mit kritischen Medien einschränken

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will mit dem Schreiben angeblich nichts zu tun gehabt haben.
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Ein internes Mail an die Landespolizeidirektionen regt an, Informationen an kritische Medien nur noch im notwendigen Maß bekannt zu geben. Kritik kommt nich nur von der Presse, auch Kanzler Sebastian Kurz rügt das Innenministerium.

Wien — Nach der Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gerät Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an einer weiteren Front unter Druck. Pläne des Innenministeriums, gegen kritische Medien eine Info-Sperre zu verhängen und den Fokus in der polizeilichen Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität zu legen, sorgen für Kritik von Medien und Opposition.

Kurier und Standard hatten über ein Mail des von Kickl eingesetzten Ministeriumssprechers an diverse Polizeidienststellen berichtet, wonach die Kommunikation mit kritischen Medien wie Kurier ,Standard oder Falter auf das Nötigste — rechtlich vorgesehene — Maß zu beschränken sei und es keine "Zuckerl" geben soll, weil diese Medien laut Innenministerium einseitig und negativ berichten würden. Als positives Beispiel werden in dem Schreiben hingegen vom Innenressort abgenommene Polizei-Formate des Privatsenders ATV genannt.

Der Urheber des Mails bittet seine Kollegen außerdem, derartige Anfragen an ihn weiterzuleiten, „sodass wir eine einheitliche Antwort schicken und uns nicht gegenseitig konterkarieren."

Sexualdelikte vermehrt kommunizieren

Darüber hinaus wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, offensiver zu kommunizieren. Das Innenministerium will damit den Fokus stärker Richtung Ausländerkriminalität richten.

Das Ministerium versuchte nach Bekanntwerden des Papiers — wie schon in der BVT-Affäre — vor allem den Eindruck zu vermitteln, dass der politisch verantwortliche FPÖ-Minister mit dem Vorgehen seiner Mitarbeiter und Beamten nichts zu tun habe. Kickl sei "weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung", hieß es in einer Aussendung. Die durchgesickerten Pläne wurden als "Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter" bezeichnet. Zugleich wurde in der offiziellen Ministeriumsaussendung aber festgehalten, dass der "Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien" angesichts der Berichte über die Pläne des Ministeriums "nicht aus der Luft gegriffen" seien.

Herbe Kritik von Seiten der Medien

Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter warf dem Innenminister unterdessen versuchte Manipulation der Öffentlichkeit vor. Das Recht der Bevölkerung auf Information soll beschnitten werden. "Der Innenminister und andere Kräfte in unserem Land wollen nicht akzeptieren, was das Wesen des Journalismus ist." Investigativer Journalismus kläre die Öffentlichkeit auf, indem er Informationen der Regierung und privater Institutionen bekannt mache, die diese sonst unterdrücken würden, zitierte Brandstätter aus den Leitlinien des berühmten Pulitzer-Preises. "Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist."

Beim Standard sprach man von einem "Frontalangriff auf die Medienfreiheit". Kritik am Innenministerium kam auch von Boulevardmedien. "Das ist eine deutliche (und nebenbei ziemlich stumpfsinnige) Grenzüberschreitung und brüskiert alle Medien, nicht nur die Genannten. Ich empfehle: Zurückziehen, Fehler eingestehen, Sicherstellung der professionellen Zusammenarbeit mit allen Medien", erklärte etwa Heute-Chefredakteur Christian Nusser via Twitter.

Journalistengewerkschaft und Journalistenorganisationen üben ebenfalls heftige Kritik an dem Inhalt des Schreibens. Die Journalistengewerkschaft sieht darin eine "gefährliche Grenzüberschreitung". Politiker aller Parteien werden deshalb dazu aufgefordert, umgehend Stellung gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit zu beziehen. Dies müsse einen "Aufschrei der demokratischen Öffentlichkeit" zur Folge haben, erklärte GPA-djp-Vorsitzende Barbara Teiber. "Der Innenminister sollte sich vergegenwärtigen, dass er und seine Dienststellen von Steuergeldern finanziert werden und es deshalb auch ihre Pflicht ist, die Öffentlichkeit umfassend und objektiv zu informieren. Alles andere ist ein Abgleiten in eine Informationspolitik, die wir aus Diktaturen und autoritären Regimen kennen", so Teiber.

Eine freie Presse sei die Basis für eine starke Demokratie. Jeder Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken, sei ein Versuch die Demokratie einzuschränken, hieß es in der Erklärung weiter. "Wer die Demokratie einzuschränken versucht, hat in einer Demokratie als Politiker und erst recht als Mitglied der Bundesregierung keinen Platz", sagte Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp.

Kritik vom Kanzler

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte am Rande der UNO-Generalversammlung in New York Kritik an den im Innenministerium gewälzten Überlegungen einer Info-Sperre gegen kritische Medien. Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, betonte Kurz.

"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", so Kurz' Botschaft in Richtung Innenminister Herbert Kickl vom Koalitionspartner FPÖ.

Harsch fielen auch die ersten Reaktionen der Oppositionsparteien aus. "Kickl hat wohl Probleme mit der Pressefreiheit", meinte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hält die Kickl-Distanzierung von seinem Ressortsprecher nicht für glaubwürdig. "Kritische Medien werden in ihrer Information eingeschränkt, Propaganda raufgefahren und die Bevölkerung besonders über Sexualdelikte von Ausländern informiert. So geht Demagogie, so wiegelt man ein Volk auf. Das ist demokratiegefährdend. Kickl ist ein echtes Risiko geworden", monierte Meinl-Reisinger auf Twitter.

Einheitlicher Auftritt der Polizei

Ministeriumssprecher Alexander Marakovits versichert, dass das Innenministerium an einer „fairen Zusammenarbeit mit allen Medien höchst interessiert" sei. Deshalb werde unter seiner Verantwortung unter Einbindung der Kommunikationsverantwortlichen in den Landespolizeidirektionen demnächst eine neue Leitlinie für eine transparente Medienkommunikation erstellt — und den „Journalisten selbstverständlich zur Verfügung gestellt".

An die Kommunikationsverantwortlichen in den neun Landespolizeidirektionen hatte Pölzl auch das Email geschickt, über das Standard und Kurier berichtet haben. Es handle sich um „Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter", versichert Marakovits. „In vielen Passagen" gehe es darum, einen einheitlichen Auftritt von Polizei und Innenministerium anzuregen. Speziell bei der Nennung der Nationalität ausländischer Tatverdächtiger und Information über Sexualverbrechen habe es „bisher sehr unterschiedlichen Umgang" in den Landespolizeidirektionen gegeben. Ziel sei, so Marakovits, „umfassende und klare Information im Sinne größtmöglicher Transparenz". (APA)

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