Römisch-katholische Kirche

Sexskandale: Kardinal Marx bittet um Entschuldigung fürs Wegschauen

Kardinal Marx während der Deutschen Bischofskonferenz.
© AFP/Roland

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sagt, er schäme sich für das zerstörte Vertrauen. Papst Franziskus gesteht indes ein, dass die Kirche vor allem aufgrund der Missbrauchsskandale kein bedeutsamer Gesprächspartner mehr für junge Leute sei.

Fulda – Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, hat die Opfer des massenhaften sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der Kirche in aller Form um Entschuldigung gebeten.

„Zu lange geleugnet, weggeschaut und vertuscht“

„Allzulange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden. Für dieses Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung“, erklärte Marx am Dienstag in Fulda bei der Vorstellung einer Studie, die den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker in den vergangenen Jahrzehnten umfangreich dokumentiert.

Marx fügte an: „Ich schäme mich für das Vertrauen, das zerstört wurde; für die Verbrechen, die Menschen durch Amtspersonen der Kirche angetan wurden; und ich empfinde Scham für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben.“ Das gelte auch für ihn selbst. „Wir haben den Opfern nicht zugehört. All das darf nicht folgenlos bleiben.“ Er konstatierte: „Viele Menschen glauben uns nicht mehr. Und ich habe dafür Verständnis.“

Zwischen 1945 und 2014 3677 Minderjährige missbraucht

Marx hatte am Montag in diesem Zusammenhang angedeutet, dass die Bischöfe im Laufe der Woche bei ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda auch über mögliche Strukturänderungen in der Kirche beraten wollten. Er sprach von „einem Wendepunkt für die katholische Kirche in Deutschland – und nicht nur in Deutschland“.

Die Studie ergab unter anderem, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3.677 Minderjährige missbraucht haben sollen. Marx erklärte dazu: „Die Auseinandersetzung mit den Ereignissen und den Konsequenzen ist damit nicht abgeschlossen, sondern beginnt jetzt.“

Papst Franziskus.
© APA

Papst macht Skandale für Abwenden von Kirche verantwortlich

Papst Franziskus hat indes die Missbrauchsskandale dafür mitverantwortlich gemacht, dass sich viele junge Leute von der katholischen Kirche abwenden. Viele Jugendliche würden die Kirche nicht mehr als einen bedeutsamen Gesprächspartner wahrnehmen, sagte der Pontifex bei seinem Besuch in Estland am Dienstag.

„Ganz im Gegenteil, manche wollen ausdrücklich in Ruhe gelassen werden, denn sie empfinden die Präsenz der Kirche als lästig, ja unangenehm. Sie sind empört über die Skandale sexueller und finanzieller Art, denen gegenüber sie keine klare Verurteilung sehen.“ Franziskus sprach bei einer ökumenischen Veranstaltung mit Jugendlichen in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Es sei notwendig, dass sich die Erwachsenen „bekehren und entdecken, dass wir, um an eurer Seite zu sein, viele Situationen ändern müssen, die euch letztendlich entfernen.“

Der Papst steht seit langem selbst in der Kritik, nicht hart genug gegen pädophile Geistliche vorzugehen. Anfang Oktober beginnt im Vatikan eine Bischofssynode, bei der das Thema Jugend im Zentrum steht. (APA/dpa)

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