Alle gegen Dumoulin und Fritzens gegen alle
Der Favorit im heutigen Einzelzeitfahren der Herren heißt Tom Dumoulin (NED). Doch selbst der Titelverteidiger muss erst die bis zu 14 Prozent steile Bergstraße von Fritzens Richtung Gnadenwald bewältigen.
Von Florian Madl
Innsbruck – Keine Radsport-Disziplin ist ehrlicher als das Einzelzeitfahren. Allein gegen die Uhr, die nackte Wattleistung umgemünzt in Pedalumdrehungen ergibt im Regelfall den Weltmeister. Der hieß im vergangenen Jahr Tom Dumoulin (27). Und der Niederländer wäre wohl auch heute (ab 14.10 Uhr, live ORF eins) eine Bank, wäre da nicht die Bergstraße über 350 Höhenmeter von Fritzens Richtung Gnadenwald, vorbei am renommierten Reithof von Evelyn und Klaus Haim-Swarovski. Interessierte Zuschauer sollten sich diesen Streckenabschnitt vornehmen, selten ist man einem leidenden Fahrer näher.
Dumoulin, den 1,85 Meter großen Modellathleten, vergleichen Szene-Kenner mit der spanischen Rad-Legende Miguel Indurain: ruhig, keine Allüren, stets zurückhaltend und dennoch beliebt in der Szene. Der Große mit dem großen Motor, heißt es. Und würde sich zwischen Rattenberg und Innsbruck keine Steigung aufbauen, hätte wohl auch Rohan Dennis (28) der Urgewalt Dumoulins wenig entgegenzusetzen. Wie der Sieger nach 52,5 km und 654 Höhenmetern heißt, weiß man wohl erst gegen 16.40 Uhr. Also zumindest eine Stunde nachdem Dumoulin von Rattenberg aus seine Fahrt aufgenommen hat. Nur 1:30 Minuten früher ist Dennis als Vorletzter dran.
Auch zwei Österreicher gehören zum Konzert der Großen, mit Georg Preidler (28) hat ein Steirer Chancen auf eine Top-Ten-Platzierung: „Für die echten Zeitfahr-Spezialisten ist die Strecke wohl zu schwer, aber für Typen wie mich passt es recht gut“, meinte der Radprofi des französischen Teams Groupama. Der um zehn Kilogramm schwerere Matthias Brändle (28), ein ehemaliger Stundenweltmeister, kann seine Hoffnungen schon beim Streckenstudium begraben. Für den Weltklasse-Prologfahrer ist das Kursprofil so, als würde Marcel Hirscher die Hahnenkammabfahrt bestreiten ...
Die WM schreibt immer wieder wundersame Geschichten. Und eine davon erlebte man gestern wieder beim Zeitfahren der Junioren, das Remco Evenepoel für sich entschied. Dass der 18-Jährige nach 27,8 Kilometern von Wattens nach Innsbruck 1:23 Minuten vor dem zweitplatzierten Australier Lucas Plapp lag, erstaunte allerdings weniger als die sportliche Vita des jungen Mannes. Erst Ende 2017 hängte Evenepoel, dessen Vater Patrick bereits Profi war, seine Fußballschuhe an den Nagel. Bei PSV Eindhoven, beim RSC Anderlecht und kurzfristig sogar als Kapitän der belgischen U17-Auswahl hatte der Mann aus Flämisch-Brabant für Aufsehen gesorgt. Seit einem Solosieg bei den belgischen Junioren-Meisterschaften (90 km/Vorsprung von 4:40 Minuten) scheint sein Weg vorgezeichnet, im Siegerinterview erklärte er: „Ich wollte einfach mein Ding machen.“ Den Titel widmete er einem verstorbenen Freund.
Einzelzeitfahren auf einen Blick
Rennprogramm: 9–12 Uhr: Training Straßenrennen 14.10–17.10 Uhr: Einzelzeitfahren, Herren Elite.
Rahmenprogramm:
Ab 12 Uhr: Okidoki Kinderfest (Spielen und Stationen), Rattenberg, Eintritt frei. 17.30 Uhr: „Die3“ (Austropop-Formation), Konzert, Rattenberg, Parkplatz P1 (Eintritt frei). 19.30 Uhr: Culcha Candela, Konzert, Innsbruck Hofburg (Tickets erforderlich).
Wichtige Startzeiten in Rattenberg:
14:32:30 Uhr: Georg Preidler (AUT)
15:14:30 Uhr: Matthias Brändle (AUT)
15:31:00 Uhr: Tony Martin (GER)
15:32:30 Uhr: M. Kwiatkowski (POL)
15:34:00 Uhr: V. Campenaerts (BEL)
15:35:30 Uhr: Vasil Kiryienka (BLR)
15:37:00 Uhr: J. Castroviejo (ESP)
15:38:30 Uhr: Rohan Dennis (AUS)
15:40:00 Uhr: Tom Dumoulin (NED)
Geschätzte Fahrzeit:
1:01 Std.