Natur

Sellrainer Frösche gehen neue Wege

Jedes Frühjahr helfen die Kuens Tausenden Fröschen zur Wanderungszeit mit einem Kübel über die Straße.
© Rudy De Moor

Eine geänderte Herbst-Wanderungsroute wird für Tausende Amphibien im Sellrain zur tödlichen Gefahr. Ein weiterer Zaun und Frosch-Lotse Toni Kuen sollen Abhilfe schaffen, bis eine Tunnel-Lösung umgesetzt wird.

Von Philipp Schwartze

Sellrain –Auch nach acht Jahren lässt sich Toni Kuen (65) aus Sellrain noch von Fröschen begeistern, aber auch überraschen. Seit 2010 trägt er die Amphibien zur Wanderungszeit im Frühling zweimal täglich über die befahrene Sellrainstraße (L13). Dank des Frosch-Lotsen und seiner Frau Waltraud, die ihm beim mehrstündigen Abgehen der Schutzzäune hilft, ist die Population von nur knapp 300 Fröschen auf über 2200 gestiegen, überfahrene Frösche wurden zur Seltenheit. Das Glück des Amphibien-Retters schien nahezu perfekt.

Doch dann kam der heurige Sommer, und Kuen machte bei einem Kontrollgang eine traurige Entdeckung. „Es gab 75 tote Frösche. Bis heute sind leider mindestens 400 Frösche auf ihrem Rückweg überfahren worden“, schätzt er.

Zäune gab es bisher nur auf der talseitigen Straßenseite zum Fluss Melach hin. „Die Frösche sind von dort im Frühjahr zu den Tümpeln über die Straße gezogen, im Herbst müssen sie anders zurückgekommen sein“, sagt Kuen. Doch dieses Jahr war das anders, die Frösche machten sich früher als sonst auf den Rückweg in das Bachbett, liefen dabei auf die Straße und wurden durch die Zäune auf der anderen Straßenseite gestoppt: Sie saßen in der tödlichen Autofalle fest.

Beim Lokalaugenschein machten sich Arbeiter vom Maschinenring, Walter Michaeler (Umweltschutz/Land), LHStv. Ingrid Felipe (Umweltschutz) und Frosch-Retter Toni und Waltraud Kuen (v. l.) ein Bild von der aktuellen Situation.
© Land/Rosner

Die Kuens blieben aber nicht tatenlos. Sie baten die Umweltabteilung des Landes um einen Zaun auf der anderen Seite, 400 Meter werden dort seit dieser Woche errichtet. In Kübeln sollen die Amphibien dann – wie im Frühjahr auf der anderen Seite – aufgefangen und von den Kuens über die Straße transportiert werden.

Knapp 10.000 Euro kostet die Notfallmaßnahme. „Das war nicht die kleinste Lösung, und es musste schnell gehen“, sagt Harald Pittracher, Gutachter für Biber und Amphibien vom Land Tirol. Ansonsten wäre die über Jahre mühsam aufgebaute Population gefährdet gewesen.

Warum die Frösche nun auch für den Rückweg die Straße nutzen, darüber wird noch gerätselt. „Das gab es noch nie“, staunt Kuen. Der trockene Sommer oder die wachsende Population könnten Gründe dafür sein.

© Rudy De Moor

Für die Kuens ist der Transport der über 2000 Frösche nun auch noch im Herbst eine Doppelbelastung, schon seit einiger Zeit wird über eine fixe Amphibien-Leitanlage für die Sellrainstraße nachgedacht. „Die Planung war so gut wie abgeschlossen, aber jetzt müssen wir das Projekt adaptieren, weil die Situation sich geändert hat“, erklärt Pittracher. Schließlich müsse nun gewährleistet werden, dass die angedachten fünf fixen Tunnels, durch die Frösche und andere Amphibien die L13 unterqueren könnten, in beide Richtungen funktionieren. „Die Planung wird jetzt abgeschlossen. Dann muss noch über die Finanzierung geredet werden“, erklärt Pittracher. Welche Kosten anfallen, könne er noch nicht sagen. Doch 2019 bis 2020 soll das System fertig sein. „Man muss aber auch Leitungs- oder Straßenarbeiten berücksichtigen.“

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LHStv. Ingrid Felipe, zuständig für Umweltschutz, zeigte sich bei einem Lokalaugenschein zuversichtlich, dass das Amphibien-Leitsystem umgesetzt wird. „Man kann mit dieser Maßnahme viel bewirken. Das sieht man jetzt bereits am Erfolg der Kuens.“

Ähnliche Initiativen gibt es in Matrei in Osttirol, in St. Ulrich, am Walchsee, in Hatting, Terfens und ab kommendem Jahr auch in Kramsach. „Das sind nur Beispiele, es gibt sicher viel mehr gefährliche Straßenzüge für Amphibien. Sobald uns jemand neue Orte meldet, schauen wir uns das an“, verspricht Pittracher.

Toni und Waltraud Kuen sehnen sich jedenfalls nach dem versprochenen Tunnelsystem. Zwar macht ihnen ihr „Kübel-Taxi“ augenscheinlich noch Spaß, doch weitere freiwillige Helfer konnten sie bisher nicht finden. „Und wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten“, meint Toni Kuen, der sein Herzensprojekt auch in Zukunft gesichert sehen will. Bis dahin wird das Kübel-Taxi nicht aufhören.

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