Italien

Von Träumen und Zwängen: Roms Populisten enthüllen Haushaltsziele

Fünf Sterne-Chef Luigi Di Maio (li.) und Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini.
© AFP

Die Regierung in Rom sendet ein Zeichen: Was sie ihren Wählern generös versprochen hat, will sie auch weitgehend umsetzen. Die Haushaltsplanung der Fünf Sterne und der Lega wird konkreter. Mit ungewissen Folgen.

Von Alvise Armellini, Lena Klimkeit und Alkimos Sartoros, dpa

Rom – Die Populisten in Italien triumphieren, wieder einmal. „LEUTE! Heute ist ein historischer Tag! Heute hat sich Italien gewandelt!“, schreibt der Chef der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, Luigi Di Maio, am Donnerstagabend auf Facebook.

Gerade hat er mit seinem Vizepremier-Kollegen Matteo Salvini verkündet, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone im kommenden Jahr deutlich mehr Schulden machen will. Nicht so kleinkariert sein, stattdessen alles für das Volk tun. So lautete die Vorstellung von Di Maio für die Haushaltsplanung - und so geht die Erzählung nun weiter.

Wie viel neue Schulden das Land im kommenden Jahr machen wird ist ein wichtiger erster Parameter für den Haushalt, den die fast vier Monate alte Regierung im Oktober erst der EU-Kommission und den EU-Finanzministern und dann dem Parlament vorgelegen muss. Auch wenn Italien mit einer Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung nun nicht die harte Grenze von drei Prozent einreißen will, setzt die neue Regierung ein deutliches Zeichen für eine expansivere Haushaltspolitik. Ihre Vorgänger hatten einst 0,8 Prozent für das kommende Jahr veranschlagt.

Viele Versprechungen, kaum finanzieller Spielraum

Das hoch verschuldete Land hat wenig finanziellen Spielraum, die Parteien haben ihren Wählern aber viele und vor allem kostspielige Versprechungen gemacht. Ein Grundeinkommen für Niedrigverdiener, geringere Steuern und höhere Renten? „Kein Problem“, schrieb die Fünf-Sterne-Bewegung schon vor der Wahl im März, die sie zum Sieger machte, auf ihrem Blog. „Wir werden das Geld finden“, sagte Di Maio am Montag in einem Zeitungsinterview. 10 Milliarden sollen nun etwa für die Einführung des Bürgereinkommens aufgewendet werden, mit dem ein Haushalt erstmals die „Armut ausradiert“, wie Di Maio sagt.

Di Maio und Salvini hätten den Widerstand des Finanzministers gebrochen, kommentieren die Medien am Abend. Der Hüter über die Staatsfinanzen, Giovanni Tria, ist ein Technokrat – und gilt seit der Regierungsbildung im Juni als Garant für Haushaltsdisziplin. Er betont immer wieder die Notwendigkeit der Senkung der Staatsverschuldung. Im Kreis der EU-Finanzminister beteuerte er bei jeder Gelegenheit, Italien werde einen soliden Haushalt aufstellen. Eigentlich wollte er die Neuverschuldung auf 1,6 Prozent begrenzen.

Laut den von allen EU-Staaten vereinbarten Euro-Stabilitätskriterien darf die Neuverschuldung maximal 3 Prozent, der Gesamtschuldenstand nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.

Italien weist jedoch einen der höchsten Schuldenstände weltweit auf und nach Griechenland mit rund 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die höchste Schuldenquote in der EU. Deswegen muss Rom nach einem Beschluss der EU-Finanzminister eine ganze Reihe zusätzlicher Vorgaben erfüllen, um langfristig die Schulden im Griff zu halten. Festzustellen, ob der künftige italienische Haushalt regelkonform sei, könne sich daher als sehr komplizierte Aufgabe erweisen, hieß es aus Diplomatenkreisen in Brüssel.

Das schwächelnde Glied in der Eurozone

Innerhalb der Eurozone gebe es ein Problem und das Problem heiße Italien, sagte der französische Sozialist und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici unlängst noch. Wachstum und Investitionen in dem Land schwächeln, auf die Bankbilanzen drücken zudem nach wie vor zahlreiche faule Kredite – auch wenn es hier in den vergangenen Jahren einige Fortschritte zu verzeichnen gab. Die oft verkündete Spendierfreudigkeit der neuen Regierung hat außerdem die Märkte in den vergangenen Monaten nervös gemacht. Sollte Italien tatsächlich die Zahlungsunfähigkeit drohen, dürften die Folgen in ganz Europa zu spüren sein. Die bisherige Antwort aus Rom: Die EU dürfe Italien nicht im Weg stehen, um seine Wirtschaft wiederzubeleben.

Dabei sind sich Experten grundsätzlich einig, dass Italien mehr Wirtschaftswachstum braucht. Bei den Mitteln der Wahl sehen sie die Regierung in Rom jedoch auf einem Holzweg. „Angesichts niedriger Produktivität muss Italien es schaffen, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, vor allem Frauen“, sagt die italienische Finanzwissenschaftlerin Veronica De Romanis. „Es braucht nicht höhere Pensionen und mehr Zuschüsse für Arbeitslose, um über die Runden zu kommen.“

Die Ideen der Regierung seien politisch einleuchtend, sagt indes der Wirtschaftswissenschaftler Gustavo Piga. „Vom Grundeinkommen würden vor allem Menschen im ärmeren Süditalien profitieren, wo die Sterne-Bewegung viele Wähler hat. Und Rentenänderungen würden vor allem älteren Wählern aus der Arbeiterschicht zugute kommen, einer Kernklientel der Lega.“ Die Pläne der Regierung seien ökonomischer Unsinn. „Aber es ist nachvollziehbarer Unsinn.“

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