Wunsch der Laien an Bischof: Zölibat endlich in Frage stellen
Die Seelsorgeräume in Tirol werden immer größer. Klaus Heidegger, Vorsitzender der Katholischen Aktion, sieht Laien ohne Pfarrer dastehen.
Von Alexandra Plank
Innsbruck –Zum Widerspruch fühlt sich Klaus Heidegger, Theologe und Vertreter der größten Laienorganisation Österreichs, der Katholischen Aktion, anlässlich eines Interviews von Bischof Hermann Glettler in der TT veranlasst. Darin hielt dieser am Zölibat für Priester fest. Weiters sah er den Mangel an geweihten Seelsorgern als Chance, dass viel mehr Gläubige und Laienorganisationen ihre Verantwortung in den Pfarrgemeinden und auf diözesaner Ebene übernehmen.
„Es ist gut und wichtig, dass der Bischof die Arbeit der Laien so schätzt. Allerdings können diese nur mit einem Priester zusammenarbeiten, das wird schwierig, wenn fast keine Priester mehr da sind“, sagt Heidegger. Mittlerweile sei es so, dass etwa ein Seelsorger für das gesamte Stubaital vom Gletscher bis an den Talanfang zuständig ist. „Auch im Oberen Gericht wurde ein Pfarrer eingespart, auch dort ist die Lage prekär.“ Heidegger weist darauf hin, dass das Spenden der Sakramente, insbesondere des zentralen Sakraments der Eucharistie, zu Recht nur geweihten Priestern vorbehalten bleibt.
Er zitiert den Theologen Paul Zulehner, der schon vor Jahren postuliert hatte, dass die katholische Kirche in Österreich und in Europa kein Priesterproblem, sondern ein Weiheproblem habe. Die Zugangsbeschränkungen seien mit Zölibat und dem Ausschluss der Frauen vom Priestertum einfach zu hoch, sagt Heidegger.
Das Abrücken von einer Tradition, die nicht in der Bibel verankert ist, fordert Heidegger jetzt auch vom Bischof der Diözese Innsbruck ein. „Die verpflichtende Ehelosigkeit für römisch-katholische Priester kann nicht die Antwort für eine missionarische Kirche der Zukunft sein.“ Immer weniger Priester würden in immer noch größeren Seelsorgeräumen bis ins hohe Alter herumsausen müssen, damit das Recht der Gemeinden auf die Sakramente von der Eucharistiefeier bis zur Krankensalbung gewährleistet werden könne.
Die Aufhebung des Pflichtzölibats sei überfällig. Die Entkoppelung von Priestersein und Ehelosigkeit würde dazu führen, dass mehr Männer der Berufung zum Priester folgen würden. Und die Frauen? „Durch einen anderen Umgang mit Sexualität würde sich das Priesteramt auch für Frauen öffnen“, so Heidegger. Schon Bischof Stecher hatte gefordert, viri probati, verheiratete Männer, zum Priesteramt zuzulassen. Heidegger will mehr: „Es braucht Bischöfe, die ein Konzil verlangen, in dem das Diakon- und Priesteramt für Frauen möglich und das Zölibat beendet wird.“
Das Zölibat rückt indes verstärkt in den Fokus. Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche werden in Verbindung mit der Enthaltsamkeit gebracht. Heidegger dazu: „Ehelosigkeit ist kein Auslöser für Missbrauch.“ Wichtig sei, dass den Opfern geholfen werde. Gotthard Bertsch, Leiter der Ombudsstelle, sagt, dass man ihn unabhängig arbeiten lasse. Auch er geht nicht davon aus, dass das Zölibat Missbrauch begünstigt: „80 Prozent der Missbrauchsfälle erfolgen durch heterosexuelle, in Beziehung lebende Männer.“
Laien in der Diözese und Ombudsstellen
Laien. Die Katholische Aktion gliedert sich unter anderem in Katholische Frauenbewegung, Katholische Männerbewegung, Katholische Jugend oder Jungschar. Daneben gibt es noch den Laienrat mit einer Fülle weiterer Organisationen.
Pfarrerinitiative. Fast 400 katholische Priester und Diakone aus ganz Österreich sind Mitglieder der Pfarrerinitiative, aus der Diözese Innsbruck sind 39 Priester und Diakone dabei. 2011 gegründet, fordert sie auch die Abschaffung des Zölibats.
Missbrauch. Schon 1995 waren der Diözese Innsbruck 33 Einzelfälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch bekannt. An die Öffentlichkeit ist man damit aber erst 2010 gegangen.
Ombudsstelle. In ganz Österreich wurden ab 2010 Stellen eingerichtet. Unter der Nummer 0676/87302700 kann man mit Psychotherapeuten reden. 2017 wurden 60 neue Fälle in Tirol gemeldet, da Aussicht auf Entschädigung als Heimopfer bestand, in diesem Jahr waren es bisher erst 32 Fälle.
Bericht. Seit 2010 hat die Unabhängige Opferschutzkommission 1813 Fälle zugunsten der Opfer entschieden. Die neun Ombudsstellen leiten massive Vorwürfe mit Einverständnis der Betroffenen weiter. 300 Fälle sind in Bearbeitung, 137 Fälle wurden negativ entschieden. Den Opfern wurden 25,6 Mio. Euro zuerkannt. Die meisten Vorfälle sind rechtlich verjährt und haben sich hauptsächlich in den 60er- und 70er-Jahren ereignet: 54,9 % sind vor 1970 geschehen, 44,2 % von 1970 bis 1999 und 0,9 % seit 2000 (Stand 14.9.2018).