Rechtsstreit nach Posting

Schuldspruch wegen übler Nachrede: Maurer „sehr erschüttert“

Sigrid Maurer mit ihrer Anwältin Maria Windhager.
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Die gebürtige Tirolerin hatte einen Geschäftsinhaber öffentlich gemacht, der ihr obszöne Nachrichten geschickt habe. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Maurer meldete volle Berufung an.

Wien — Mit einem nicht rechtskräftigen Schuldspruch wegen übler Nachrede, aber einem Freispruch vom Vorwurf der Kreditschädigung hat am Dienstag der Prozess gegen die frühere Grüne-Abgeordnete Sigrid Maurer am Landesgericht Wien geendet. Sie hatte obszöne Nachrichten an sie auf Facebook und Twitter gepostet und darin den Besitzer eines Biergeschäfts als Verfasser beschuldigt, der sie daraufhin klagte.

Für die üble Nachrede muss Maurer nach dem Urteil von Einzelrichter Stefan Apostol 150 Tagsätze je 20 Euro, also 3000 Euro, an den Staat zahlen. Weitere 4000 Euro für die „erlittene Unbill" gehen an den Kläger. Dessen weitergehenden Ansprüche wegen angeblichen Geschäftsrückgangs wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zudem muss die 33-Jährige die Kosten des Verfahrens übernehmen. Sie meldete volle Berufung an, die Gegenseite gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist. Der Lokalbesitzer erwägt laut seinem Anwalt jedoch weitere rechtliche Schritte gegen Maurer.

Maurer „sehr erschüttert"

Maurer zeigte sich nach der Urteilsverkündung gegenüber Medien „sehr erschüttert". Sie habe nicht damit gerechnet und könne nicht nachvollziehen, dass man zu diesem Schluss kommt. „Ich werde nicht klein beigeben, wir werden in Berufung gehen und das Geld dafür aufstellen. „Es ist völlig eindeutig, dass er es gewesen sein muss."

Richter Apostol machte in seiner äußerst ausführlichen Urteilsbegründung klar, dass der Tatbestand der üblen Nachrede „massiv" gegeben war und von Maurer ihre Postings auch zugegeben worden waren. Nicht strafbar wäre dies nur dann, wenn die Angeklagte den Wahrheitsbeweis erbracht hätte. Eben dies sei nicht gelungen. Vom Vorwurf der Kreditschädigung gab es hingegen einen Freispruch weil die subjektive Tatseite nicht gegeben war.

Da Twitter als Medium gilt, gab es auch einen Schuldspruch nach den Medienrecht wegen Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Die Gegenseite hätte befragt werden müssen. Absurderweise hätte ihre Mandantin den Belästiger auch noch kontaktieren müssen, kritisierte Verteidigerin Maria Windhager.

Richter: Nachweis nicht erbracht, wer Absender war

Apostol machte deutlich, dass er dem klagenden Geschäftsmann so gut wie nichts glauben würde, doch sei es eben nicht gelungen, nachzuweisen, dass dieser die sexuell anzüglichen Texte wirklich geschickt habe. Die seltsame Interpunktion würde eher auf den früheren Besitzer des Lokals und Administrator der Webseite hindeuten, es könnte aber auch Gast gewesen sein, während der Kläger für ein kurzes Telefonat aus dem Wirtshaus gegangen war.

Besonders mildernd rechnete der Richter Maurers Unbescholtenheit und dass sie aus „achtenswerten Beweggründen" gehandelt habe — eben dass man sich das gefallen lassen muss und derartige Belästigungen nicht strafbar sind. Ebenfalls zugunsten der 33-Jährigen sprach das Tatsachengeständnis, aber es sei eben keinesfalls ein reumütiges Geständnis gewesen. Dies sei von Maurer auch explizit verneint worden. Negativ wurde die Massivität des Vorwurfs an den Geschäftsmann bewertet.

Gegenstand des Prozesses

Maurer hatte am 30. Mai veröffentlicht, dass sie am Vortag vom Besitzer des Craft-Beer-Geschäftes über den Facebook-Nachrichtendienst Messenger obszöne Nachrichten bekommen habe. "Gestern hat er mich da blöd angeredet und mir diese Nachrichten geschickt", berichtete Maurer und veröffentlichte einen Screenshot der Botschaft mit eindeutig sexuell anzüglichen Beschimpfungen.

Der Geschäftsbesitzer wurde daraufhin von Usern mit Beschimpfungen überschwemmt, sein Lokal erhielt im Netz schlechte Bewertungen und der Mann wurde mehrfach bedroht. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser zu sein, und klagte.

Der Lokalbesitzer meinte, sein PC samt Facebook-Account wäre auch den Gästen zur Verfügung gestanden. Bei der ersten von zwei Nachrichten an Maurer habe er auf der Straße mit seiner Lebensgefährtin telefoniert, was er durch einen Gesprächsnachweis zu beweisen versuchte. Die auffällige Orthografie in den obszönen Botschaften und den Beiträgen auf der Homepage hatte Maurer im Glauben bestärkt, dass der Wirt diese verfasst hatte.

Medienanwalt: "Rechtspolitisch eine Sauerei"

Medienanwalt Michael Pilz hält das Urteil für "rechtspolitisch eine Sauerei". Das Urteil sei "formal wohl nicht zu bekritteln." Die Beweiswürdigung hätte ihm zufolge aber "wohl auch anders ausgehen können." Was Maurer gemacht habe, sei erkennbar eine Notwehraktion" gewesen, sagte Pilz. "Rechtspolitisch muss gesagt werden, hier muss etwas geändert werden." Dabei sei selbstverständlich auf die Interessen beider Parteien Bedacht zu nehmen. Entsprechende rasche Änderungen hielt der Medienanwalt für durchaus wahrscheinlich: "Die #Metoo-Bewegung hat es in einem Jahr geschafft, viel zu bewegen." (TT.com, APA)