Alpenverein kritisiert Liftpläne, die Justiz ermittelt im Pitztal
Alpenverein wettert gegen mögliche Skigebietserschließungen durch die Hintertür. Präsident Ermacora hat kein Problem mit politischer Gipfeltour.
Von Peter Nindler
Innsbruck –Ist der Alpenverein das grüne Mäntelchen der ÖVP, wenn es gerade genehm ist? Just vor der gestrigen Pressekonferenz erschienen nämlich die Tiroler VP-News. Oben im Bild prangte das Bild von Alpenvereinspräsident Andreas Ermacora mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP), LH Günther Platter (VP) und Südtirols LH Arno Kompatscher (SVP) bei der heurigen Gipfeltour auf der Dreiländerspitze. Darunter lobte die ÖVP die jüngste Einigung mit den Grünen über die neuen Seilbahngrundsätze. Gerade diese kritisierte der Alpenverein am Dienstag in aller Schärfe. Und auch die Beschränkungen von Umweltorganisationen in der Novelle zum Umweltverträglichkeitsgesetz (UVP).
Für Ermacora hat das eine („Bergtour“) mit dem anderen („Kritik an den Seilbahnprogrammen“) allerdings nichts zu tun. „Außerdem ist es wichtig, mit der Politik immer im Gespräch zu bleiben.“ Auf die Frage, ob der Alpenverein trotz seiner 110.400 Mitglieder in Tirol zu wenig Gewicht in Umweltthemen habe, meinte Ermacora: „Nein, schließlich haben wir maßgeblich dazu beigetragen, dass es zu keiner Seilbahnverbindung von der Schlick über das Ruhegebiet Kalkkögel in die Axamer Lizum kommt.“
So weit, so gut: An den neuen Seilbahngrundsätzen lassen Ermacora und die Abteilungsleiterin für Raumplanung und Naturschutz im ÖAV, Liliana Dagostin, jedenfalls kein gutes Haar. Neuerschließungen würden zulasten der Natur als Erweiterungen getarnt werden, warnt Ermacora. „Für Neuerschließungen werden damit Tür und Tor geöffnet.“ Dagostin ortet einen Angriff auf die noch unerschlossenen Naturräume in Tirol. Außerdem spricht sie von den „Ski-Gebietern“ im Land, die mit dem Seilbahnprogramm ein grünes Mäntelchen über die tiefschwarze Bentonierermentalität stülpen.
Unterstützung erhält der ÖAV vom Deutschen Alpenverein. Vizepräsident Rudolf Erlacher ist verärgert über die von der Zahlendynamik geprägte Philosophie der Seilbahner. „Die da lautet: immer mehr Pisten und Lifte.“ Für den Vorsitzenden des ÖAV in Tirol, Gerald Aichner, führen Neuerschließungen sowie die acht geplanten Skigebietserweiterungen zur Zerstörung von Landschaft und Natur. Darüber hinaus eint die klare Ablehnung der Gletscherehe Pitztal-Ötztal die Alpenvereins-Funktionäre.
Am Pitztaler Gletscher geht es aber schon jetzt rund. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Anzeige wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt. Bekanntlich wurde im Mai ein Skiweg am Grat des Hinteren Brunnenkogels massiv verbreitert – ohne Bewilligung. Ein Verwaltungsverfahren ist bei der Behörde anhängig. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck Thomas Willam liegt ein entsprechender Anfallsbericht des Landeskriminalamts seit wenigen Tagen vor, es seien jedoch weitere Ermittlungen in Auftrag gegeben worden.
Dagostin hofft, dass der Weg nicht nachträglich genehmigt werde, nach dem Schema beim seinerzeit heftig umstrittenen Pitztaler Notweg in den 2000er-Jahren. So einfach wird es diesmal nicht sein, denn größere Eingriffe am Gletscher unterliegen der UVP-Pflicht. Und diese Frage muss derzeit abgeklärt werden.
In die Vollen geht ÖVP-Wirtschaftsbundchef und Seilbahnsprecher Franz Hörl. Er wirft Ermacora und Co. vor, dass sie, angeleitet von ihren angestellten Scharfmachern, wieder in die Mottenkiste des Umweltaktivismus gegriffen hätten und längst abgehakte Themen immer und immer wieder aufwärmen würden.
Die Grünen freuen sich hingegen, dass sich der Alpenverein in die Debatte über die Seilbahngrundsätze einbringt.