Ex-Wacker-Kicker Brzeczek: Der polnische Prinz folgt eigenen Spuren
Für Polens Team unter Jerzy Brzeczek schlägt in der Nations League gegen Portugal und Italien zweimal die Stunde der Wahrheit.
Von Alex Gruber
Innsbruck –Kennen Sie Krystian Holewik? Der langjährige Nachwuchstrainer der SPG Westliches Mittelgebirge weiß um die Volksseele in seiner Heimat Polen bestens Bescheid und lernte den neuen Teamchef Jerzy Brzeczek zu dessen Tiroler Fußball-Zeiten kennen und schätzen. Holewik weiß, welche Zweifel Brzeczek nach der enttäuschenden WM unter Vorgänger Adam Nawalka und zu Beginn seiner Amtsperiode entgegenschlugen. Er weiß aber auch, dass das Leuchten in Jerzys Augen Verbandspräsident Zbigniew Boniek in Feuer und Flamme versetzt hat.
Der „Jure“, so wurde Brzeczek in Tiroler Tagen gerufen, muss jetzt bei den Polen machen, was seinem Ex-Kollegen Stani Tschertschessow als russischer Teamchef bei der WM gelungen ist – aus einem Mittelmaß an internationaler Klasse mit System und guter Führung das Optimum herauskitzeln. Wobei er das so auf keinen Fall stehen lassen will: „In Angriff und Mittelfeld sind wir durchaus mit Weltklasse-Spielern besetzt, defensiv sieht es ein bisschen schlechter aus.“ Das wird heute gegen Europameister Portugal (ohne Ronaldo) womöglich zur „Flucht nach vorne“ führen. „Risiko“, kündigt er an.
Brzeczek, als olympischer Silbermedaillen-Gewinner auch ein „polnischer Prinz“, ist in der Nations League mit einem beachtlichen 1:1 in Italien in die Gruppe A3 gestartet. Heute hat er Portugal, am Sonntag die Italiener zu Gast. „Zwei solche Schlagerspiele in so kurzer Zeit hat es in der polnischen Fußball-Geschichte noch nie gegeben“, holt er tief Luft: „Wir sind in der Lage zu überraschen.“ Einen Teil dazu könnte im Trainerstab auch Ex-Tirol-Goalgetter Radoslav Gilewicz beitragen. Dass mit ihm, Tschertschessow oder Markus Anfang (1. FC Köln) jetzt einige Tiroler Ex-Teamkollegen so tolle Trainerjobs bekleiden, kommentiert er trocken: „Das zeigt, wie stark wir damals fußballerisch besetzt und auch als Persönlichkeiten waren.“
Möglich, dass Brzeczeks Neffe Jakub Blaszykowski heute mit einem weiteren Einsatz zu Polens alleinigem Rekordnationalspieler (aktuell 102 Einsätze) avanciert. Auch etwas, was die Polen laut Fußball-Fachmann Holewik kritisch beäugen. Dabei wird „Kuba“ ohnehin irgendwann von Bayern-Star Robert Lewandowski (absolviert heute sein 100. Match) überflügelt. „Der Druck ist überall sehr, sehr groß“, lassen ihn vermeintliche Expertenmeinungen kalt. Stattdessen lebt er an der Outlinie seinen Traum. Mit ganz klaren Prinzipien.