Bayern-Wahl

Der paradoxe Herr Söder: Kein Zittern vor Wahl trotz CSU-Absturz

Markus Söder (l.) sitzt trotz des drohenden Wahlfiaskos seiner Partei fest im Sattel. Für den CSU-Vorsitzenden und Innenminister Horst Seehofer könnte es jedoch eng werden.
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In Umfragen vor der Bayern-Wahl am Sonntag stürzt die regierende CSU immer weiter ab. Ministerpräsident Markus Söder könnte aus einer Schlappe jedoch gestärkt hervorgehen. Die Schuld wird wohl Horst Seehofer treffen.

Von Ralf Isermann, AFP

München – Markus Söder spricht in seinen Reden gern von einer paradoxen Situation. Einerseits gehe es Deutschland gut wie nie, andererseits sei das Land gespalten wie nie. Söder könnte nun bald selbst in eine paradoxe Situation kommen. Er könnte die CSU bei der bayrischen Landtagswahl am 14. Oktober zu einem historisch schlechten Ergebnis führen - und davon profitieren.

Der 51-Jährige amtiert erst seit einem guten halben Jahr als Ministerpräsident in Bayern, Mitte März war seine Wahl. Damals lagen die Umfragewerte der CSU noch bei 40 bis 42 Prozent. Inzwischen lotet die Partei immer neue Tiefstände aus, wenige Tage vor dem Wahltermin liegt sie laut Bild-Zeitung bei 33 Prozent.

Söder: „Unglaublich geprägt“ durch Bundespolitik

In der hypernervösen CSU gibt es fast niemanden, der den Ministerpräsidenten für den Absturz verantwortlich macht. Stattdessen wird dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer wegen seines Agierens als deutscher Innenminister in Berlin die Schuld gegeben. Söder selbst sieht seine miesen Zahlen „unglaublich geprägt“ durch die Bundespolitik.

Es ist nicht auszuschließen, dass Seehofer nach dem Wahlabend zum Rücktritt gedrängt wird und ihm womöglich Söder auch in diesem Amt nachfolgen könnte. Allerdings stellte Seehofer gerade die Frage nach einer Mitverantwortung Söders – er habe sich nicht in die Wahlkampfführung eingemischt, Söder sei zuständig.

Hohes Vertrauen auch erkauft

Ob Seehofer damit nur sich selbst vor Rücktrittsforderungen schützen will? Oder will er Söder im Fall eines eigenen Sturzes mit in den politischen Abgrund reißen? Bisher genießt Söder gerade bei den CSU-Politikern in Bayern Vertrauen.

Seine Hausmacht hat sich der Ministerpräsident dabei allerdings auch erkauft. Nach außen, in dem er den Bayern von einem Familiengeld bis zu einem Pflegegeld zusätzliche Sozialleistungen spendierte. Nach innen, indem er gut dotierte neue Posten für Regierungsbeauftragte schuf.

Söder selbst hatte seit seinem Einzug in den Landtag 1994 auch fast durchgehend zusätzliche Ämter, vom CSU-Generalsekretär über verschiedene Ministerposten. Eine Karriere, die ihm nicht in die Wiege gelegt wurde, wie er selbst sagt.

Versuch eines Imagewandels

Der Vater von vier Kindern nennt sich heute „begeisterter Christ“. Als er allerdings kurz nach seiner Wahl per Erlass das Aufhängen von Kreuzen in allen bayerischen Amtsstuben anordnete, kritisierten ihn auch viele aus den Kirchen wegen Instrumentalisierens des Kreuzes.

Manche dürften das als Beleg für den Mangel an Empathie sehen, den sie Söder vorwerfen. Söder bestreitet diese Zuschreibung. Aber alle Umfragen seit seiner Wahl zeigen, dass der Einserabiturient und promovierte Jurist im Vergleich zu seinen Vorgängern nur wenig Sympathie genießt.

Das erklärt vielleicht auch den Wandel, den der schon seit längerer Zeit von PR-Profis beratene Söder seinem Image zu geben versucht. Der Scharfmacher mit dem Hang zur Attacke gibt mittlerweile demonstrativ den Landesvater.

„Keine Experimente“

Schon in seiner ersten Rede nach seiner Wahl machte er das väterliche „Machen und Kümmern“ zu seinem Motto. Und fast schon altklug zitierte ausgerechnet der jüngste Ministerpräsident der bayerischen Geschichte im Wahlkampf Konrad Adenauers Wahlspruch „Keine Experimente“ als Warnung vor einem Regierungswechsel.

Doch Söder wird der Imagewechsel weg vom Scharfmacher noch nicht abgenommen, was auch an ihm selbst liegt. So lieferte er im Flüchtlingsstreit mit der Schwesterpartei CDU mit dem Begriff „Asyltourismus“ einen Negativhöhepunkt.

Egal ob Pleite oder Erfolg – in die CSU-Wahlanalyse nach dem 14. Oktober werden viele Dinge einfließen. Aber selbst wenn die CSU die derzeit prognostizierte historische Pleite kassieren sollte, scheint ein Rücktritt Söders unwahrscheinlich – in der Tat paradoxe Zeiten.

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