Oberländer Waaler begeistern die Unesco
Seit Jahrhunderten bewässern Waale das trockene Tiroler Oberland. Im September wurde das Handwerk der Waaler als Unesco immaterielles Kulturgut ausgezeichnet. Weitere Schritte sind in Planung.
Von Nina Schrott
Landeck, Imst –Die Aufnahme des traditionellen Handwerks und Wissens der Waalmeister der Bezirke Landeck und Imst sowie der zugehörigen Fachbegriffe und Techniken ins nationale Verzeichnis der Unesco immateriellen Kulturgüter war der erste Schritt, erledigt im September dieses Jahres. Doch Christian Leibundgut, Hydrologie-Professor an der Universität Freiburg, hat für das beschauliche Oberland große Zukunftspläne und sieht Potenzial nach oben. „Wenn nach dem Beispiel von Nordtirol weitere Regionen für ihre Berieselsysteme ausgezeichnet werden, bewerben wir uns gemeinsam für den Unesco-Titel immaterielles Weltkulturerbe“, berichtet er. Leibundgut hat sich seit 30 Jahren dem Erforschen von Europas natürlichen Bewässerungssystemen verschrieben. Noch wäre das Thema mit nur einer Aufnahme ins Verzeichnis zu klein, doch länderübergreifend sehe er gute Chancen. Gebiete in Deutschland, Frankreich, Belgien, England, den Niederlanden und der Schweiz würden hart an dem arbeiten, was das Tiroler Oberland als erste Region geschafft habe. „Unsere Aufnahme wurde von der österreichischen Unesco-Kommission einstimmig angenommen und nicht korrigiert“, freut sich auch Kurt Tschiderer. Der ehemalige Bürgermeister von Pettneu war eine treibende Kraft beim Vorhaben, so hat er es sich zur Aufgabe gemacht, den mehrseitigen Antrag zu verfassen, und war auch dabei, als am Beginn des Projekts Waaler aus Grins, Perjen, Ried, Prutz, Imst, Tarrenz und Haiming nach Stanz zusammengetrommelt wurden. Lachend erinnert er sich: „Als ich der Runde damals unsere Pläne präsentiert habe, habe ich eher skeptische Gesichter als Begeisterung geerntet.“ Das Potenzial der Tradition hätten am Beginn nur wenige erkannt.
Die rund 400 Waale im Oberland – viele davon werden nicht mehr aktiv genutzt – bewässern weit mehr als 100 Hektar an Wiesen- und Ackerflächen. Als besonders ergiebig gilt der Waal der Genossenschaft Tulle in Prutz, welcher über 40 Hektar bewässern könnte. Einmalig ist der Stöffl-Waal in Imst, welcher mitten in der Stadt rund 30 Ar Obst- und Heuflächen mit Wasser versorgt.
Das außergewöhnlich trockene Gebiet im oberen Inntal wird schon seit der ersten Besiedlung zur Zeit der Römer mit Waalsystemen bewässert. „Ohne diese Rieselbewässerung hätte Nordtirol teils gar nicht bewohnt und bewirtschaftet werden können“, weiß Tschiderer. Über Jahrhunderte entwickelte sich ein effizienter und nachhaltiger Umgang mit dem verfügbaren Wasser der jeweiligen Genossenschaft. Die Technik und Ausführung wird ständig angepasst und überarbeitet, trotzdem gilt die Art der Bewässerung oft als nicht zeitgemäß und überholt. „Genau deswegen ist es so wichtig, dass unsere Kultur geschützt und weitergegeben wird“, betont Stefan Nothdurfter, Waalmeister in Stanz. Der Druck, das Wasser durch Kraftwerke zu leiten und zur Energiegewinnung zu nutzen, würde ständig steigen. Das sei sogar ein größeres Problem als Hochwässer und Muren. „Daran sind wir gewöhnt, aber lassen wir die Bewässerung auf, erlöschen unsere Wasser- rechte“, erzählt Tschiderer.