Chamäleon mit Schaufenster
Für die Bebauung des besten Platzes in Innsbruck hätte man sich ein baukünstlerisch inspirierteres Bauwerk gewünscht, als es das von Erich Strolz entworfene Haus der Musik ist.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Der mit baukünstlerischen Highlights in den vergangenen zwei Jahrzehnten verwöhnte Innsbrucker hätte sich gewünscht, dass mit dem Haus der Musik ein weiteres entsteht. Noch dazu, da dieses am besten Bauplatz der Stadt in ebenso prominenter wie heterogener Nachbarschaft steht. Um sich im Spannungsfeld zwischen barocker Hofburg, Hofkirche und klassizistischem Theatertempel als Stück Architektur des beginnenden 21. Jahrhunderts zu behaupten.
Geworden ist es ein formal pragmatisches, maßstäblich problematisches Bauwerk, in dem zu viel auf zu wenig Platz Platz haben muss: die Kammerspiele genauso wie ein großer und kleiner Konzertsaal samt Foyers, ein Restaurant, das Mozarteum, die Festwochen der Alten Musik, die Musikwissenschaften, das Symphonieorchester, eine Bibliothek usw. Insgesamt zwölf Nutzern gerecht zu werden, war die große Herausforderung für Erich Strolz, der 2014 den EU-weit ausgeschriebenen zweistufigen Architektenwettbewerb gewonnen hat. Laut Juryvorsitzendem Ernst Beneder, weil er das komplexe Raumprogramm am überzeugendsten gelöst habe. Um für die Weiterentwicklung bzw. Abwicklung des Projekts in der Folge eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Vorarlberger Büro Dietrich/Untertrifaller einzugehen.
Um das Haus der Musik optisch kleiner daherkommen zu lassen, als es ist, haben die Architekten tüchtig getrickst. Schon allein durch die Wahl der Farbe für seine glänzende Keramikhülle. Macht Schwarz doch bekanntlich schlank, Glanz trägt andererseits wieder auf. Wobei die hellen Einsprengsel in die anthrazitfarbene Glasur der vertikal angebrachten, dreidimensional strukturierten, teilweise aufklappbaren Keramikelemente das Haus in ein Chamäleon verwandeln, das je nach Licht seine Farbe ändert.
Dafür, dass der Baukörper partiell sich aufzulösen scheint, sorgen riesige Fenster, in denen sich bei perfektem Wetter die Hofburg genauso wie die Nordkette spiegeln. Und komplett wetterunabhängig sorgt letztlich die riesige, am neu gestalteten Vorplatz stehende Steineiche dafür, dass sich das Haus der Musik hinter ihr teilweise verstecken kann.
Betritt man das Haus durch seinen über drei Geschoße verglasten, in den Baukörper hineingezogenen Eingangsbereich, wird sofort klar, dass es sich hier eigentlich um zwei Baukörper handelt, die durch einen vom Untergeschoß bis zum fünften Obergeschoß offenen, oben verglasten Erschließungsturm verbunden sind. Dominiert von einem mächtigen Lichtobjekt von Werner Feiersinger. Der Wunsch von Strolz, zu signalisieren, dass dieses Haus ein für jedermann offenes ist, indem der Terrazzo vom Vorplatz sich in alle öffentlichen Bereiche indoor fortsetzt, wurde nicht erfüllt. Naturstein als Alternative war zu teuer, weshalb es graue Fliesen geworden sind, die für ein Haus der Kultur unangemessen billig daherkommen.
Schön ist, dass sich die zwei Baukörper auch im Hausinneren durch ihre dunklen Keramikfassaden real abbilden. Alle Raumteile, die sich aus diesen heraus- bzw. in diese hineinstülpen, sind dagegen mit naturbelassener Eiche verkleidet. Der Rest der Wände bzw. Einbauten ist weiß, die Formen und Materialien sind pur.
„Herz“ des Hauses ist der große, für 500 Besucher ausgelegte Saal mit seinem riesigen Schaufenster Richtung Hofburg. Gestaltet – genauso wie der kleine Saal – als von Akustikern ausgetüfteltes, vielfach gefaltetes hölzernes Möbel. Die Kammerspiele bzw. die kleine Experimentierbühne sind schlichte Blackboxes. In den obersten zwei Geschoßen wird es sehr kleinteilig. Hier gibt es aber auch die gemeinsame Bibliothek von Musikwissenschaften und Konservatorium sowie einen Balkon und eine Loggia .
Wichtig war Strolz die Vernetzung der Blicke von innen nach außen wie auch intern zwischen den verschiedenen Ebenen. Was etwa das im Untergeschoß situierte Foyer der Kammerspiele in einen lichterfüllten, nach oben scheinbar unbegrenzten Raum verwandelt. Möbliert mit den wunderbar zerknautscht daherkommenden Sitzmöbeln von Esther Stocker, die letztlich – genauso wie das im zweiten Obergeschoß stehende Sofa von Carola Dertnig – Skulpturen zum Besitzen sind. Und als Bühne mit Blick auf Stadt wie Landschaft perfekt ist die rund 100 Quadratmeter große, in das oberste Geschoß hineingeschnittene Terrasse.