Innenpolitik

Streit um Boulevardblätter in Wien: Ludwigs Flucht nach vorn

Gehört seit 2004 zum Stadtbild nahe Öffi-Stationen: das Gratisblatt „Heute“.
© Artinger

Wiens SPÖ-Bürgermeister hat den Medien neue „Spielregeln“ angekündigt. Im Hintergrund tobt ein Streit der Boulevardblätter.

Carmen Baumgartner-Pötz

Wien — Es ist die Gretchenfrage für Wiener Politiker: „Sag mir, wie hältst du's mit dem Boulevard?" „In der Vergangenheit gab es eine friedliche Koexistenz, doch die Ereignisse der letzten zweieinhalb Wochen zeigen: Die Wiener SPÖ hat Grund, beunruhigt zu sein", so die Einschätzung des Politik- und Strategieberaters Thomas Hofer.

Denn rund zwei Jahre vor der nächsten Wiener Landtagswahl (auch eine Vorverlegung ist je nach politischer Stimmungslage möglich) haben sich die Boulevardblätter Krone, Heute und Österreich in Stellung gebracht. Jüngster Höhepunkt ist eine beigelegte Auseinandersetzung um Gratiszeitungsständer in U-Bahn-Stationen und wechselseitige Klagen, begleitet von massiver Kritik am seit Mai regierenden Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Der holte jetzt zu einem Befreiungsschlag aus: Diese Woche kündigte er an, die Spielregeln für die Informationstätigkeit der Stadt und damit auch die Vergabe von Inseraten neu zu definieren. Ziel sei ein „sehr transparentes Konzept", die Bewohner Wiens zu informieren — aber auch journalistische Qualität sicherzustellen. Gleichzeitig betonte er, dass er sich nicht von einzelnen Medien unter Druck setzen lasse. Mit Experten — auch aus dem Medienbereich — sowie mit den Grünen sollen die Richtlinien bis Anfang 2019 erarbeitet werden.

Verleger Wolfgang Fellner („Österreich“, oe24) will auch ein Stück vom großen Wiener Kuchen.
© APA

„Das war natürlich eine Flucht nach vorne", analysiert Thomas Hofer Ludwigs Ankündigung. Denn der Wiener Bürgermeister müsse vor seiner ersten Wahl im Amt vor allem zwei strategische Ziele verfolgen: in der Bevölkerung sein noch nicht gefestigtes Image als starker Mann zu stärken (siehe auch sein Umgang mit der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner) und sich von den Boulevardmedien nicht am Zeug flicken zu lassen.

Für den Umgang von Politikern mit dem Boulevard gibt es aber kein Patentrezept, „es ist immer eine Gratwanderung — wie viel liefert man sich aus?", meint Hofer. Neben einer realen Macht von Medien (Stichwort Auflagenstärke) gebe es aber auch die ihnen subjektiv zugemessene Macht, die manche Politiker mit vorauseilendem Gehorsam bedienen. „Das auszutarieren, ist eine Herausforderung", befindet der Experte.

Ludwigs Warnung an den Boulevard, er lasse sich nicht unter Druck setzen, erinnert Hofer zum Teil an den glücklosen Ex-SPÖ-Chef Christian Kern, der vor einem Jahr einen Interview- und Wahlkampfinserate-Boykott gegenüber der Tageszeitung Österreich erklärt hatte. Gleichzeitig gebe es Beispiele, dass Politiker auch ohne die Unterstützung des Boulevards erfolgreich regieren können: Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Franz Voves (SPÖ) ließen sich als Bundeskanzler bzw. Landeshauptmann von der „Macht des Boulevard" nicht beeindrucken.