Saudi-Arabien steht am Pranger: Journalist getötet und zerstückelt?
Grausame Details und ein Video: Der Fall Khashoggi entsetzt die Welt. Im Zentrum dabei: Die politische Führung in Riad. Sie wird beschuldigt, dafür verantwortlich zu sein, was mit dem Journalisten Jamal Khashoggi geschah.
Von Matthias Sauermann
Istanbul/Riad/Washington – Vor zehn Tagen betrat der Journalist Jamal Khashoggi, der im Exil lebte, das saudische Konsulat in Istanbul. Seitdem fehlte von dem Regimekritiker jede Spur. Einzig war klar: Irgendetwas musste in dem Gebäude vorgefallen sein. Schnell wurden Vorwürfe laut, die Regierung habe den Mann zum Schweigen gebracht – und ihn töten lassen. Riad bestritt dies.
Nun wurden jedoch neue, grausame Details bekannt, welche die These untermauern. Offenbar existiert sogar Bildmaterial, das den Mord an dem 59-jährigen Journalisten belegen soll. Demnach zeigen Video- und Tonaufnahmen aus dem Konsulat, wie Khashoggi zuerst verhört wird, anschließend gefoltert und schließlich getötet. Danach sei sein Körper mit einer Knochensäge zerstückelt worden. Die Leichenteile wurden vermutlich mit Koffern aus dem Konsulat geschafft.
Die Washington Post zitierte eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll. Auch die New York Times berichtete von den Vorgängen.
Wie kam die Türkei zu Videomaterial?
Neben dem entsetzlichen Verbrechen – sofern sich die Berichte als wahr herausstellen –, für das sich Riad verantworten muss, rückt auch die Türkei damit mehr ins Zentrum der Affäre. Bislang hatte sich die türkische Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits kritisch geäußert und Aufklärung verlangt. Existiert nun tatsächlich Bildmaterial von dem Verbrechen, das sich in den Händen der Türkei befindet, wirft das weitere Fragen auf.
Das sei auch der Grund, warum die Aufnahmen bislang noch nicht veröffentlicht wurden, schreibt die New York Times. Die Türkei scheue davor zurück, weil sie dadurch offenbaren würde, wie Gebäude anderer Staaten auf türkischem Boden überwacht werden. Allerdings informierten demnach türkische Regierungsvertreter ihre US-Kollegen bereits darüber, im Besitz von Aufnahmen zu sein, die keinen Zweifel an der Mordthese lassen.
Regimekritiker musste aus Saudi-Arabien fliehen
Jamal Khashoggi war vor mehr als einem Jahr aus Angst vor politischer Verfolgung ins US-Exil gegangen. Dort schrieb er unter anderem Artikel für die Washington Post, die er mit Jamal Kashoggi zeichnete. Alternativ wird sein Name auch Dschamal Chaschukdschi oder Chaschoggi geschrieben. Der Journalist begrüßte zwar grundsätzlich die Reformen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, kritisierte aber dessen zunehmend autoritäre Herrschaft.
Nun ist die Frage, wie die internationale Staatengemeinschaft reagiert. Besonderes Augenmerk gilt hier der US-Regierung. Nicht nur wegen der allgemein aktiven Rolle der USA in der Region und der traditionellen Nähe zur saudischen Regierung – sondern auch deshalb, weil US-Präsident Donald Trump eine besondere Nähe zur saudi-arabischen Führung demonstrierte.
So hatte der Republikaner Saudia-Arabien als erste Destination seiner Staatsbesuche ausgewählt. Den Deal fädelte sein Schwiegersohn Jared Kushner ein – dem auch ein persönliches Naheverhältnis zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman nachgesagt wird.
Die USA schlossen anlässlich des Besuches symbolträchtig Rüstungsgeschäfte in Milliardenhöhe mit Riad ab. Die stehen nun zur Disposition: Auch aus Trumps Partei melden sich Abgeordnete zu Wort, die ein scharfes Vorgehen gegen Saudi-Arabien fordern. Trump hingegen hat sich bislang zurückhaltend gegeben – wohl auch, um an seinem ersten außenpolitischen Erfolg festzuhalten.
Saudische Presse wittert Verleumdungskampagne
Während die Führung Saudi-Arabiens indes nur wenige Erklärungen zum Verschwinden des Journalisten abgibt, wähnt die Presse des Landes eine Verleumdungskampagne gegen das Königreich. Am Werk sieht sie dabei vor allem türkische und katarische Medien.
Die Presse der beiden Länder füttere und verbreite im Fall Khashoggi Gerüchte, hieß es am Freitag auf der Internetseite des von Saudi-Arabien finanzierten Nachrichtenkanals Al-Arabiya. Der 59 Jahre alte regimekritische Journalist hatte für westliche Medien, darunter die Washington Post, geschrieben.
Regierungsnahe türkische Medien hatten in dieser Woche immer wieder ausführlich über sein mysteriöses Verschwinden berichtet. So veröffentlichte die Zeitung Sabah unter anderem Aufnahmen von 15 Saudis, die offenbar bei der Passkontrolle am Flughafen aufgenommen worden waren. „Hier ist das 15-köpfige Attentatsteam“, titelte das Blatt.
Al-Arabiya meldete hingegen in dieser Woche, bei den abgedruckten Bildern handle es sich um Aufnahmen von ganz normalen saudischen Besuchern auf der Heimreise. „Die türkische und katarische Presse nutzt Bilder von Touristen“, schrieb der Sender dazu.