Flórez’ Schmelz und Kaufmanns Bemühen
Zwei neue CDs bekunden prominente tenorale Liebe zu lateinamerikanischen und italienischen Volksliedern.
Innsbruck –„Ich bin mit Valses criollos, Marineras, Boleros, Rancheras und Tangos, herrlichen Liedern aus Lateinamerika, groß geworden“, erzählt Juan Diego Flórez. „Diese Musik geht direkt ins Herz, weil sie von Dingen handelt, die uns alle unmittelbar berühren: Heimat, Herkunft, Liebesfreud und Liebesleid.“ Seine Großmutter spielte Tangos am Klavier, Vater Rubén ist ein in Peru bekannter Volkssänger.
Juan Diego, am 13. Jänner 1973 in Lima geboren, zunächst Pop-, Folk- und Rockmusiker, wurde zu dem weltweit führenden Tenor, der schon lange unerreicht ist, und der in den Rollen Rossinis und Donizettis und in seiner scheinbaren Leichtigkeit des Singens niemals über seine Stimmgrenzen hinausging. Nun aber wachsen ihm ein paar kräftigere Farben zu.
Auf seiner neuen CD dokumentiert der attraktive peruanisch-österreichische Sänger seine Liebe zur lateinamerikanischen Musik. Getragen von so viel Authentizität, sinnerfüllter Emotion, Geschmack, Können und Raffinement hat sie Suchtfaktor. Es geht um die Seele der Kanzonen.
Unter den 18 Liedern aus Peru, Mexiko, Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, Argentinien, Chile und Kuba sind Ohrwürmer wie das kubanische „Guantanamera“ das mitreißende „Aquarela do Brasil“ oder, geschmeidig eröffnend, das mexikanische „Bésame mucho“, aber auch das argentinische Protestlied „Sólo le pido a Dios“. Die spanische und portugiesische Sprache erweitern die Gefühls- palette von Flórez’ Stimme, dazu kommt die Mischung aus Understatement, zutiefster Vertrautheit des Repertoires und rhythmischer Leidenschaft. Das hierzulande gedankenlos geschmetterte „Cucurrucucu Paloma“ wird, wenn die Seele als Taube aufsteigt, zum tieftragischen Lied über einen Liebestod.
Großartig auch das lateinamerikanische Ensemble mit brillanten Gitarristen voller Drive und Eleganz, das die Arrangements zur Wirkung bringt. Mit dabei in einem Stück der Tiroler Klarinettist Simon Reitmeier.
Entfernt von solcher Überzeugungskraft ist Jonas Kaufmanns neue CD „An Italian Night“, Live-Mitschnitt seines Konzertes heuer in der Berliner Waldbühne. Die Aufzählung der italienischen Kanzonen ist müßig, da das Programm bis auf drei Lieder und die Mitwirkung der großartigen Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili Kaufmanns CD „Dolce Vita“ von 2015 entspricht. Unter diesem Titel stand auch das Berliner Konzert, bei dem Kaufmann erst in den vielen Zugaben locker wurde. Die neue CD, ergänzt von Ausschnitten aus „Cavalleria rusticana“, den Arien „Cielo e mar“ und „Nessun dorma“, gaukelt nun eine zum Teil recht bemühte „Italienische Nacht“ vor. (u.st.)
Lieder aus Lateinamerika Juan Diego Flórez: „Bésame Mucho.“ (Sony) Konzertmitschnitt Jonas Kaufmann: „An Italian Night.“ Mit Anita Rachvelishvili. (Sony)