70. Frankfurter Buchmesse

Friedenspreis des Buchhandels für Aleida und Jan Assmann

Die Konstanzer Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann (Archivbild).
© imago/Horst Galuschka

Der Friedenspreis an die Assmanns sei eine „hochpolitische Entscheidung“, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Nach dem „Zivilisationsbruch“ im Zweiten Weltkrieg könnten die Deutschen ohne Erinnerung nicht in Freiheit leben.

Frankfurt am Main – Am Sonntag erhalten die deutschen Kulturwissenschafter Aleida und Jan Assmann in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Aus diesem Anlass hat der Picus Verlag eine erweiterte Neuauflage von Aleida Assmanns im Vorjahr erschienenen und aus einer Wiener Vorlesung hervorgegangenen Band „Menschenrechte und Menschenpflichten“ herausgegeben. Dabei wird die vor 70 Jahren beschlossene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum Ausgangspunkt für eine Untersuchung heute gültiger „Menschenpflichten“ angesichts immer größerer Flüchtlingsbewegungen. Bei der Frage des künftigen fairen und respektvollen Zusammenlebens von Einheimischen und Zugewanderten werden auch Schlüsselbegriffe auf dem Weg von der „gerechten“ zur „anständigen“ Gesellschaft diskutiert: Höflichkeit und Sozialität, Anerkennung und Respekt, Empathie und Ähnlichkeit.

„Als Einwanderungsland neu erfinden“

Am Freitag sprachen die beiden Preisträger auf der Frankfurter Buchmesse bereits über das kulturelle Gedächtnis. Deutschland sollte nach Ansicht von Aleida und Jan Assmann sein kulturelles Gedächtnis erweitern. Es sei „erschütternd“, dass es hierzulande noch kein wirkliches Migrationsmuseum gebe, sagte Aleida Assmann. „Deutschland muss sich als Einwanderungsland neu erfinden.“ Bisher gebe es nur lokale Ansätze.

Die beiden Kulturwissenschafter nehmen am Sonntag in der Paulskirche die renommierte Auszeichnung entgegen. Der Ägyptologe Jan Assmann (80) und seine Frau Aleida (71) haben sich unter anderem mit der Erinnerungskultur von Gesellschaften beschäftigt – vom alten Ägypten bis zur Gegenwart.

Bei der Erinnerung an die deutsche Vergangenheit darf es nach Meinung der Wissenschafter auch für künftige Generationen keinen Schlussstrich geben. Jeder könne über die Geschichte seiner Familie auch heute noch etwa mit Hilfe von Briefen persönlich recherchieren. Das Ehepaar hat sich maßgeblich für den Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin eingesetzt.

Der Friedenspreis an die Assmanns sei eine „hochpolitische Entscheidung“, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller. Gerade die Deutschen könnten nach dem „Zivilisationsbruch“ im Zweiten Weltkrieg ohne Erinnerung nicht in Freiheit leben.

Mit dem Friedenspreis werden seit 1950 Schriftsteller, Philosophen und Wissenschafter aus dem In- und Ausland geehrt. Im vergangenen Jahr erhielt die kanadische Autorin Margaret Atwood die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung. (APA/dpa)