Geplante EU-Richtlinie

Eigenmarken in Supermärkten droht Qualitätsverlust

Der 8. Dezember ist bereits der zweite Einkaufssamstag im Advent. Für den Handel ist das Weihnachtsgeschäft nach wie vor ein wichtiges Zusatzgeschäft.
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EU-Parlamentarier wollen verhindern, dass Handelsketten den Herstellern ihrer Eigenmarken höhere als die gesetzlichen Umwelt- und Tierschutznormen abverlangen. Handelsvertreter und Umweltschützer schlagen Alarm.

Brüssel – Verspätete Zahlungen, Last-Minute-Stornierungen bei verderblichen Produkten oder einseitige Vertragsänderungen: Durch solche Praktiken großer Handelskonzerne entstehen den Bauern in der EU Schätzungen zufolge Schäden in Höhe von knapp 11 Mrd. Euro pro Jahr. Die EU will unfairen Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette nun einen Riegel vorschieben und so kleineren Betrieben und Bauern, die große Handelsketten beliefern, den Rücken stärken. Ein entsprechendes Richtlinien-Vorhaben hat kürzlich den Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments passiert.

Abänderungsantrag 361 sorgt für breite Empörung

Was grundsätzlich nach einem legitimen Anliegen klingt, stößt derzeit jedoch auf massive Kritik – nicht nur von Handelskonzernen, die gegen die geplante Richtlinie ohnehin seit Monaten Sturm laufen. Grund für die breite Empörung ist der am Montag vergangener Woche vom Landwirtschaftsausschuss angenommene Abänderungsantrag 361. Diesen hatten vier Abgeordnete der deutschen CDU/CSU eingebracht. Er sieht vor, dass Supermarktketten bei Eigenmarken von den Lieferanten keine zusätzlichen Qualitätskriterien verlangen dürfen, die über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen. Dies beträfe etwa die Tierschutzstandards oder den Einsatz von Pestiziden.

Dadurch sollen kleine Produzenten entlastet werden, die oft zu Dumpingpreisen Waren für die Eigenmarken der Handelsketten produzieren und dabei deren hohe – sprich teure – Standards garantieren müssen – oder aus dem Regal fliegen. Bauernvertreter kämpfen seit Jahren dagegen an. Zudem will die EU zugunsten staatlicher Gütesiegel die Flut an nicht zertifizierten Marken eindämmen.

„Eine unfassbare Geschichte“

„Es ist eine unfassbare Geschichte“, zeigte sich Spar-Chef Gerhard Drexel empört. Der Eigenmarken-Anteil des Spar-Konzerns liegt aktuell bereits bei 45 Prozent (2,56 Mrd. Euro). Der Richtlinien-Vorschlag des EU-Agrarkommissars Phil Hogan sei „OK gewesen“, meinte Drexel am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. Der Abänderungsantrag der deutschen Parlamentarier Albert Deß, Peter Jahr, Norbert Lins und Jens Giesek sind für den Konzern-Chef jedoch inakzeptabel. Händler könnten dann den Bauern und Produzenten ihrer Eigenmarken nichts mehr vorschreiben, was „über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgeht“, etwa beim Pestizideinsatz, so Drexel.

Das Vorhaben „geht auf Kosten der heimischen Lebensmittel-Nahversorgung und des Tierschutzes“, kritisierte auch der Handelsverband. „Vom Konsumenten gewünschte Mehrwertprodukte – etwa Bio, MSC (Zertifizierung für nachhaltige Fischerei, Anm.) oder ‚ohne Gentechnik‘ – würden verboten werden, da an die Lieferanten keine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden qualitativen Anforderungen gestellt werden dürfen“, kritisierte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Greenpeace warnt vor Auswirkungen

Auch Politiker und Umweltschutzorganisationen warnen vor den Auswirkungen des Änderungsantrags: „Von der Gentechnikfreiheit über Pestizidreduktionsprogramme bis hin zum Ende von Palmöl – solche Initiativen könnten Supermarktketten mit diesem Gesetz künftig nicht mehr setzen“, sagte Sebastian Theissing-Matei, Sprecher von Greenpeace Österreich, in einer Aussendung.

„Dem Handel (...)verbieten zu wollen, ehrgeizige Umwelt- und Tierschutzstandards für Qualitätsmarken einzuführen, ist ein Rückschlag auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen und ökologischen Agrarwende“, kritisierte der EU-Abgeordnete der Grüne n Thomas Waitz. Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) sprach von einem „absurden Rückschritt“.

Köstinger gegen Änderungsantrag

Spar-Chef Drexel forderte die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf, diesen Teil der Richtlinie zu verhindern. Diese betonte, zwar das EU-Vorhaben einer Richtlinie zu unterstützen, nicht jedoch den kritisierten Abänderungsantrag 361: Dieser „entspricht nicht den Vorschlägen des Ratsvorsitzes und der Mitgliedsstaaten“, so Köstinger. Noch sei nichts beschlossen, man stehe erst am Anfang der Verhandlungen. „Für uns ist aber klar, dass es keinen Eingriff in bestehende Verträge geben darf.“ (ema)