Nilsson-Preisträgerin Nina Stemme: „Ich war nie besonders talentiert“
Stockholm (APA) - Mit ihrem Karrieremotto „hurry slowly“ hat es die schwedische Sopranistin Nina Stemme ganz nach oben geschafft. Ihr Erfolg...
Stockholm (APA) - Mit ihrem Karrieremotto „hurry slowly“ hat es die schwedische Sopranistin Nina Stemme ganz nach oben geschafft. Ihr Erfolg, erst gestern Abend gekrönt mit dem Birgit Nilsson Preis, ist das Ergebnis „harter Arbeit und kleiner Schritte“, wie sie am heutigen Freitag in einer Pressekonferenz im Opernhaus von Stockholm betonte. „Ich war nie besonders talentiert.“
Diese nüchterne Einstellung und professionelle, hartnäckige Herangehensweise sei möglicherweise das Erfolgsrezept, das hinter der überdurchschnittlich großen Anzahl anerkannter schwedischer Opernsänger steckt. „Vielleicht ist das eine mentale Sache“, so Stemme. Sie selbst habe die Musik von Kindheit an geliebt, sich aber lange Zeit nicht getraut, diesen Weg beruflich einzuschlagen. „Ich bin eigentlich ein Angsthase.“ Und auch ihr Auftritt bei der Verleihung des ersten Nilsson Preises im Jahr 2009 an Placido Domingo sei ihr damals „zu waghalsig“ erschienen, erzählte sie heute. „Ich dachte damals: Was mache ich da nur? Heute ist es natürlich eine wunderschöne Erinnerung. Es schließt sich ein Kreis.“
Auch für das Bewältigen großer Partien, etwa beim „Ring“-Zyklus in London, wo Stemme aktuell die Brünnhilde singt, kommt ihr das Naturell als bescheidene, disziplinierte, planvolle Arbeiterin zugute. „In Wirklichkeit ist es das Gehirn, das singt“, sagte sie. „Es kontrolliert den Körper, es imaginiert die Phrasen, bevor sie gesungen werden. Sobald die Luft zu fließen beginnt, ist es zu spät.“ In den Pausen bereite sie sich im Kopf intensiv auf die nächsten Szenen vor - „bei einem Stück wie dem ‚Ring‘ kann es sein, dass man seinen Bühnenpartner vor dem Auftritt seit einer Woche in keiner Probe gesehen hat“. Die Stimme brauche in solchen Zeiten dagegen vor allem Ruhe.
„Hurry slowly“ - so hat Stemme auch ihr Instrument, ihre Stimme, auf nachhaltiges Spitzenniveau gebracht. „Ich habe mir das Motto zurechtgelegt, als ich wirklich auf der internationalen Karte präsent geworden bin. Mir war klar: Da kommen zu schnell zu viele Angebote.“ Viele lehnte sie ab, strategisch baute sie ihr Repertoire auf. Und an dieser Haltung werde sich auch nach dem Nilsson-Preis, der mit seiner Dotierung von einer Million Dollar (869.111,77 Euro) zu den renommiertesten Auszeichnungen überhaupt gehört, nichts ändern. „Ich bin Nina Stemme. Das bleibt so. Dafür habe ich den Preis ja schließlich bekommen.“
Der Nilsson Preis wird unregelmäßig von der Birgit Nilsson Foundation vergeben, die von der 2005 verstorbenen schwedischen Operndiva gegründet wurde. „Ihr war es sehr wichtig, dass das Preisgeld an keinerlei Einschränkungen gebunden ist“, so Rutbert Reisch, Präsident der Stiftung und Nilsson-Vertrauter. „Es sind die großen Namen, die das Genre der Oper am Leben halten. Sie sollen über das Geld völlig frei verfügen.“ Den Preis sowie die Feierlichkeiten finanziert die Stiftung aus ihren Gewinnen am Aktienmarkt, das Stiftungskapital selbst bleibt dabei unangetastet. „Es ist uns gut ergangen“, resümierte Reisch, der die Präsidentschaft abgibt - allerdings im Vorstand bleibt.
Die Stiftung wird nach Schweden überführt und in die Royal Academy of Music eingegliedert. „Darüber sind wir glücklich und geehrt“, betonte deren Präsidentin Susanne Ryden bei der heutigen Pressekonferenz. Es werde keine größeren Änderungen geben, „Fokus der Stiftung bleibt der Preis“, erklärte sie. Allerdings werde man Wege suchen, auch zwischen den Preisjahren das Erbe Nilssons zu pflegen - insbesondere im Hinblick auf ihr Engagement für die Förderung junger Sänger. Wann der Preis das nächste Mal vergeben wird, sei noch völlig offen. Bisher gab es vier Preisträger: Placido Domingo im Jahr 2009, Riccardo Muti 2011, die Wiener Philharmoniker 2014 und heuer Nina Stemme.
(S E R V I C E - www.birgitnilssonprize.org)