ARGE-Koordinator: „Anbindeverbot von Kühen geht an Praxis vorbei“
Andreas Geisler ist Koordinator der ARGE Heumilch. Er kritisiert, das Tierwohl auf die Art der Stallhaltung zu reduzieren.
Herr Geisler, Sie sind Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Heumilch (ARGE Heumilch). Was ist Heumilch überhaupt?
Andreas Geisler: Die ursprüngliche Form der Milcherzeugung in Grünlandgebieten. Die Kühe werden im Frühjahr und Sommer mit frischem Gras gefüttert, im Winter mit Heu. Es ist die natürliche Fütterung im Lauf der Jahreszeiten, bei der kein Gärfuttermittel wie Silage eingesetzt werden darf. Diese besondere Wirtschaftsweise wird seit 2016 mit dem EU-Gütesiegel „garantiert traditionelle Spezialität“ geschützt.
Welchen Zweck hat die ARGE Heumilch?
Geisler: Die ARGE Heumilch ist eine gemeinsame Interessenplattform unserer österreichweit etwa 8000 Heumilchbauern und der mehr als 60 Molkereien, Käsereien sowie Sennereien, welche die Vermarktung vornehmen.
Wozu verwendet man Heumilch?
Geisler: Sie wird insbesondere für Käsespezialitäten verwendet wie zum Beispiel den Tiroler Bergkäse mit dem EU-Siegel „geschützter Ursprung.“ Rund 85 Prozent unserer Milch werden zu Käse verarbeitet. In den vergangenen Jahren greifen Konsumenten auch immer öfter zur Heumilch als Trinkmilch. Dieser Bereich macht rund 15 Prozent der Produktion aus.
Wo liegt derzeit der Milchpreis für die Bauern?
Geisler: Er ist in den vergangenen Monaten auf 37 bis 38 Cent pro Kilo bei konventioneller Milch gestiegen. Der Heumilchpreis liegt zwischen 43 und 45 Cent, der Bio-Heumilchpreis bei 55 bis 58 Cent pro Kilo.
Der Lebensmitteleinzelhandel wird derzeit mit Bio-Milchprodukten überschwemmt. Besteht da nicht die Gefahr, dass der Heumilchpreis unter Druck gerät?
Geisler: Die Gefahr besteht nur, wenn zu viel Milch am Markt ist. Mit der Heumilch sind wir in der glücklichen Lage, dass die Mengen begrenzt sind. Heumilch macht 15 Prozent der Milchmenge in Österreich aus, in Europa sind es weniger als drei Prozent. Rund 50 Prozent der Heumilch gehen in den Export, hauptsächlich nach Deutschland. Interessant sind auch die Zahlen vom österreichischen Lebensmittelmarkt: Wir konnten die Molkereiprodukte aus Heumilch seit 2009, der Gründung der ARGE Heumilch, bis 2017 um mehr als 146 Prozent auf 45.768 Tonnen steigern. Die Menge aller Molkereiprodukte insgesamt war jedoch mit 4,8 Prozent in diesem Zeitraum rückläufig.
Lebensmittelkonzerne stellen immer häufiger das Tierwohl in den Mittelpunkt. Hofer will beispielsweise eine Laufstallverpflichtung für seine Produzenten von „Zurück zum Ursprung“ einführen. Wie sehen Sie das?
Geisler: Das Tierwohl auf die Art der Stallhaltung zu reduzieren, ist zu kurz gegriffen. Wir beschäftigen uns schon seit drei Jahren mit diesem Thema, da damals schon in Deutschland das Tierwohl diskutiert wurde. Wir haben deshalb die Kombinationshaltung eingeführt: Egal ob Laufstall oder Anhängehaltung – ein Auslauf, eine Weide oder Zeit auf der Alm muss sein. Die meisten unserer Tiere sind im Sommer auf Almen. Wenn ich einem Bauern vorschreiben würde, er muss auf der Alm seinen Anbindestall umbauen, obwohl die Tiere nur zum Melken angebunden sind, glaubt er, im falschen Film zu sein. Bei unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft mit im Schnitt acht bis zehn Kühen pro Betrieb geht ein Anbindeverbot an der Praxis vorbei. Denn die Kühe sind einen Gutteil der Zeit im Freien.