Edward Snowden in Tirol: Nur noch kurz die Welt retten
Edward Snowden begeisterte via Liveschaltung das Publikum in Innsbruck und Tausende Zuseher im Netz. Die Botschaft war klar, jeder Einzelne könne etwas ändern: „Fürchtet euch nicht, seid bereit.“
Von Anita Heubacher
Innsbruck – Am Ende des Abends, nach einem eineinhalbstündigen Gespräch, gab es für Edward Snowden Standing Ovations. 1500 Zuseher, großteils Studenten, hingen im Innsbrucker Kongresshaus an den Lippen des Whistleblowers und ehemaligen CIA-Mitarbeiters. Snowdens Enthüllungen legten die weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten offen. Gestern war er live in Innsbruck zugeschaltet; vor weißem Hintergrund, damit nichts auf seinen Aufenthaltsort hinweisen kann, beantwortete er die Fragen von MCI-Rektor Andreas Altmann, den Zusehern im Saal und den mehr als 10.000, die allein via Live-Stream auf tt.com dabei waren.
Bis kurz vor Beginn der Veranstaltung hätten die Verhandlungen mit Snowden gedauert, um sicherzustellen, dass er trotz Live-Streams nicht ortbar sein werde, erzählt Altmann. „Der technische Aufwand war enorm.“ Snowden hält sich im Exil in Russland auf. Seine Frau Lindsay sei an seiner Seite, erzählt er. Ob er es denn wieder machen würde, wollte eine Zuseherin wissen. „Diese ganze Exil-Geschichte war Glück, nicht großartige Planung. Lindsay hat das alles aus dem Fernsehen erfahren. Und stellen Sie sich vor: Sie hat gesagt, dass sie sich da erneut in mich verliebt habe.“
Snowden ermunterte das Publikum, nicht zu warten, bis jemand etwas tue, sondern es selbst zu tun. „Einer muss der Erste sein.“ Jeder könne etwas ändern, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag sei. „Bewegt, überzeugt, unterstützt Menschen. Zusammen können wir ein Fundament für eine bessere Zukunft bauen“, meinte der Whistleblower. „Es mag weh tun, etwas zu unternehmen, aber du bist in der Lage, die Welt zu retten.“
Snowdens Rettung lag in der Hand von Flüchtlingen in Hongkong. Sie hatten ihn auf seiner Flucht aufgenommen und ihm „die Tür geöffnet“. Der gestrige Abend stand auch im Zeichen der Spendenaktion fortherefugees.com. Ziel sei es, mehrere tausend Euro zu sammeln, damit die betroffenen Familien bis Weihnachten gut über die Runden kämen, so Altmann. Der Anwalt der Familien, Robert Tibbo, war es auch, der vor eineinhalb Jahren die Leitung zwischen Altmann und Snowden legte. Ob er denn nach seinem Engagement für Snowden noch ungehindert reisen könne, wollte eine Zuseherin von Tibbo wissen. Der gab eine sehr diplomatische Antwort. Hongkong sei ein sehr schwieriger Ort geworden. „Also reise ich viel an Orte, an denen ich lieber bin.“
Wie es denn Snowden damit gehe, wenn Menschen sorglos mit ihren Daten umgingen, wo er, Snowden, doch so viel riskiert habe, um darauf aufmerksam zu machen, lautete eine der fast 200 Fragen. Telefone würden registriert, abgehört und die Informationen gespeichert, warnte Snowden. „Regierungen und der Kommerz haben eines der effizientesten Überwachungssysteme geschaffen.“ Der Kampf gegen den Terrorismus würde als Legitimation dafür vorgeschoben, sagte der Amerikaner. Es gebe einen klügeren und einen weniger klugen Umgang mit Daten, meinte Snowden. Osama bin Laden habe seit 1998 kein Handy mehr besessen. „Und zwar aus dem Grund, weil die USA eine Rakete an den Platz abfeuerten, an dem er tags zuvor telefoniert hatte.“
Snowden hätte noch viel länger erzählen können. Die Aufmerksamkeit im Saal war ihm garantiert. „Fürchtet euch nicht, seid bereit“, gab er den Studenten mit.
Der Event zum Nachschauen
Livestream und TT-Ticker im Internet: http://liveblog.tt.com/live/snowden
Snowden mit eindringlichen Appellen: „Unsere Freiheit steht am Spiel“: http://bit.ly/2RYj2XX
Reaktionen aus Publikum: „Und plötzlich hat man den Menschen zur Story“: http://bit.ly/2yswJ98