TT-Interview

Gottfried Bechtold: „Kunst muss nur Kunst sein“

Anlässlich der Preisverleihung am 25. Oktober wird eine Retrospektive in den Räumen der ehemaligen Galerie Goldener Engl in Hall in Tirol eröffnet. Mit dabei: eine Serie von Betonporsches im Kleinformat.
© Foto TT / Rudy De Moor

Von der Bildhauerei kommend erörtert der Künstler Gottfried Bechtold seit jeher, was Skulptur heute alles sein kann. Ein Gespräch über Autos, Remakes und nie fehlende Ironie.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – Von Peter Weibel wurde er in eine Reihe mit den führenden Erneuerern der Skulptur genannt: Daniel Buren, Dan Graham und eben Gottfried Bechtold. Der Vorarlberger hat mit Projekten, wie einer 18 Meter langen Signatur auf dem Silvretta-Staudamm oder der „100 Tage Anwesenheit in Kassel“ auf der documenta 5, für Aufsehen gesorgt. Die Klockerstiftung ehrt den 71-Jährigen am Donnerstag mit dem mit 20.000 Euro dotierten großen Kunstpreis für sein Lebenswerk.

Ein Preis für Ihr Lebenswerk – ein komisches Gefühl?

Gottfried Bechtold: Nein, das fühlt sich ganz gut an. Ich bin froh, dass ich so einen Preis noch erlebe. Und habe auch kein schlechtes Gewissen, sondern glaube, dass ich ihn verdient habe.

Wie würden Sie Ihre Entwicklung beschreiben?

Bechtold: Für mich stellt sich die Entwicklung als Wellenform dar. Im Großen und Ganzen habe ich es geschafft, an der Oberfläche zu bleiben. Ich bin schließlich kein marktgängiger Künstler, vielleicht eher Einflussgeber. Das hat natürlich mit meiner Arbeit zu tun, ich war und bin immer neugierig und nie kontinuierlich, nie auf ein Thema, eine Herangehensweise oder ein Material beschränkt: Stahl, Holz, Fotografie, Video. Ich habe das Leben immer als zu kurz empfunden, um vierzig Jahre lang stehende Menschen zu malen. Wobei ich auch großen Respekt vor jenen habe, die ein Thema durchziehen können. Für mich war die Welt zu diversiv.

Ein gewisses Kontinuum ist aber doch das Werk „Betonporsche“.

Bechtold: Der Betonporsche (ein maßgetreuer Abguss eines Porsches, Anm. d. Red.), dieses Symbol für heißbegehrte Schnelligkeit, die zum absoluten Stillstand gebracht wurde, ist für mich als Thema nach etwa 30 Jahren wieder aufgeflammt. Wenn ich das Gefühl hatte, etwas noch mal zu kommentieren oder zu verbessern, dann habe ich ein Remake aufgelegt. Der erste Betonporsche ist 1971 entstanden, 2001 gab es den „Crashporsche“, eine ganz andere Herangehensweise. 2006 habe ich eine Serie von elf Stück entwickelt, die mit einer Plane zugedeckt waren. 35 Jahre später hat sich das Konzept also dahin entwickelt – zugedeckt, auch um eine Art Abschluss zu finden. In der Wirklichkeit, wenn jemand so ein Auto besitzt, stellt er es am Samstag in die Garage, legt es still und deckt es sogar zu. Das hat schon was von Fetischismus einem Objekt gegenüber, den ich mit dieser Adaptierung verbildlichen wollte. Eine ironische Anspielung darauf, dass auch auf diesem Luxusstück nicht einmal Katzenpfoten drauf sein dürfen. Und es werden gleich zwei Stilllegungskonzepte in einem Objekt vereint.

Das Auto als Motiv in eine Skulptur zu übersetzen, war das ein langer Weg?

Bechtold: Ein längerer Annäherungsprozess war, das originale Auto als skulpturale Behandlung zu verstehen. 1971 war diese Herangehensweise verpönt, man hat die Autos zuerst eher als große Nippes verstanden. Obwohl Wolf Vostell oder Arman damals auch schon mit Autos gearbeitet hatten, aber sie etwa in Assemb­lagen verarbeitet, während ich ja am Auto selbst interessiert war. Man nannte diese Herangehensweise nachher „konzeptuellen Realismus“ beziehungsweise „reale Konzeptkunst“. In diesem Fall haben sich die Fragestellungen an die Skulptur schon stark gewandelt. Material war dabei nicht immer ein Anspruch.

Ein weiteres Kontinuum in Ihren Arbeiten ist die Ironie oder die Persiflage als Stilmittel. Etwa auch der Plakatserie „Unser Mann“, in der Sie als fiktiver Politiker fungierten. Das Parteisymbol wechselte aber jede Woche.

Bechtold: So todernst ist das Leben eben nicht, bis auf den Fakt, dass jeder einmal sterben muss. Die ganzen Jahre zuvor sind Leben und somit auch Paradoxie, Augenzwinkern.

Muss gute Kunst irgendwo auch politisch sein?

Bechtold: Müssen tut Kunst natürlich nichts. Sie muss nur Kunst sein. Es gibt gute politische Kunst und ebenso verheerende, Trittbrettfahrer-Kunst, so genannte Staatskünstler. Gute Kunst ist politisch, weil sie einen subversiven Touch hat, einen Inhalt, der Menschen zum Nachdenken bringt, sie sensibilisiert, ihre Seh- und Denkschärfe zu steigern.

Als Künstler verorten Sie sich, bis auf einige Jahre der Ausnahme, in Vorarlberg. Kann in der Provinz gute Kunst stattfinden?

Bechtold: Das ist immer schwerer, akute Kontakte sind dort, wo der Markt die Entwicklung trägt. Aber man kann konzentrierter arbeiten. Ich halte diese Megastädte sowieso für Verfehlungen. Auch in der Antarktis kann gute Kunst stattfinden. Problematisch wird es, wenn die Produktion des Künstlers in der Provinz verhaftet ist. Es muss internationale Auseinandersetzung stattfinden.

Ihre aktuelle Ausstellung in Hall zeigt einen Mix unterschiedlicher Perioden. Womit beschäftigen sich Ihre aktuellsten Arbeiten?

Bechtold: Die letzten Werke habe ich als „Selbstporträts“ bezeichnet. Es sind Glaskörper mit eingelassenen Zigarettenstummeln. Selbstporträt in dem Sinne, als dass der Rest der Zigaretten ja in mir als Raucher verblieben ist. Die Ironie sehe ich in der fehlenden Ähnlichkeit. Was diesen Arbeiten fehlt: Ich habe keine Ambitionen mehr, eine hundert Meter hohe Skulptur zu realisieren. Die Gegenwart muss immer weiter Superlative und neue Hypes produzieren. Ich nicht mehr.