Lawinenschutzprojekt auf Spitzbergen: Heißer Job im Kühlschrank Europas
Ein 30-köpfiger Bautrupp aus Landeck hat kürzlich ein sechsmonatiges Lawinenschutzprojekt auf Spitzbergen fertiggestellt. Bei einer Lawine im Dezember 2015 starben zwei Menschen, elf Häuser wurden zerstört.
Von Helmut Wenzel
Landeck, Spitzbergen –„Es gibt mehr Eisbären als Menschen. 3500 Bären, 2600 Einwohner“, erzählen Joe Thöni aus Landeck und René Walser aus Tobadill von ihrem Job-Abenteuer auf der Inselgruppe Spitzbergen, die unter norwegischer Verwaltung steht. „Die Eisbären sind ein Heiligtum. Trotzdem ist es Vorschrift, eine Schusswaffe für den Notfall mitzuführen.“
Seit sieben Jahren machen Thöni und Walser harte Jobs im Auftrag einer norwegischen Firma, die sich auf Lawinenverbauungen spezialisiert hat. Das jüngste Projekt – von Mai bis Oktober – war der Bau von Stahlschneebrücken bei Longyearbyen, Hauptort von Spitzbergen am 78. Breitengrad. Anlass für das vermutlich weltweit nördlichste Lawinenschutzprojekt war ein selbst für Spitzbergen ungewöhnlicher Orkan im Dezember 2015. Laut Medienberichten erlebten die Bewohner das schwerste Unwetter seit 30 Jahren. In Longyearbyen brach eine Lawine ab: Zwei Menschen starben, elf für die Inseln typische bunte Holzhäuser wurden zerstört.
„Wir sind jetzt eine 25- bis 30-köpfige Truppe, die meisten kommen aus Landeck, auch Pitztaler und Silzer sind dabei. Man kennt sich und kann sich aufeinander verlassen“, schildert Projektleiter Walser. „Es ist ein eingeschworener Haufen, jeder gibt Vollgas. Der Zusammenhalt funktioniert, die Chemie stimmt“, sagt Thöni. „Das ist wichtig. Unser Job ist nicht unbedingt ein Spaziergang.“
Wie hat sich die Truppe formiert? „Zu uns kommt man durch Mundpropaganda. Ein paar Glücksritter, die nur das schnelle Geld gesehen haben, sind wieder ausgestiegen.“ Leute mit Job-Erfahrung, etwa bei der Wildbach- und Lawinenverbauung, seien hingegen willkommen.
An einen etwas anderen Job-Rhythmus und technische Herausforderungen auf der Baustelle musste sich die Oberländer Truppe freilich gewöhnen. In der Sechstagewoche wird von 7 bis 19 Uhr gearbeitet, macht 72 Wochenstunden. Nur der Sonntag ist Freizeit. Nach drei Wochen gibt es zehn freie Tage für den Heimatbesuch.
„Ein großes Problem bei der Montage der Stahl-Elemente ist der Permafrost“, wissen Thöni und Walser. Da müssten zunächst so genannte Stützfüße eingesetzt werden. Logistische Herausforderungen musste die Spezialfirma bereits vor dem Einsatz der Arbeiter auf Spitzbergen bewältigen. Zum Beispiel beim Transport der Stahl-Elemente. Diese kamen aus Südtirol, trafen per Schiff im Hafen von Longyearbyen ein und mussten in 300 Hubschrauberflügen zur Baustelle gebracht werden. Allein die Transportflüge nahmen 14 Tage in Anspruch. Im Juli, als Europa unter der Hitzewelle stöhnte, kletterte das Thermometer auf maximal 12° Celsius. „Wir haben aber auch schon bei -17° gearbeitet und dabei Stirnlampen getragen.“
Vorige Woche brach die Truppe zu einer neuen Baustelle bei Hammerfest (Nordnorwegen) auf. Warum macht man derartige Jobs? Die Bezahlung sei vor wenigen Jahren „noch sehr gut“ gewesen, jetzt wegen des veränderten Wechselkurses zum Euro „nur mehr gut“, schmunzelt Thöni. „Kost und Logis sind frei. Und vor Ort braucht man kaum Geld.“
Übrigens: Die Oberländer im hohen Norden sind auch auf Facebook präsent, Suchbegriff ist der Firmenname „DS Entreprenør AS“.