Zürich gedenkt seines Reformators Ulrich Zwingli

Zürich (APA) - Am 1. Jänner 1519 hielt Ulrich Zwingli seine erste Predigt im Großmünster Zürich. Es war der Auftakt einer Reformationsbewegu...

Zürich (APA) - Am 1. Jänner 1519 hielt Ulrich Zwingli seine erste Predigt im Großmünster Zürich. Es war der Auftakt einer Reformationsbewegung in der Schweiz, die sich in vielem von jener Martin Luthers in Deutschland unterscheidet. 500 Jahre später nehmen die Reformierten das Gedenken zum Anlass, Zwingli als Person neu zu bewerten und damalige inner-protestantische Konflikte aufzuarbeiten.

„Die Reformation H.B. (Helvetisches Bekenntnis) war eine städtische Reformation, nicht eine fürstliche wie die der Lutheraner“, betont Niklaus Peter vom Zürcher Großmünster im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Bildung und Sozialethik seien tragende Pfeiler der Bewegung gewesen, die gegen die katholische Kirche und Auswüchse wie Ablasshandel rebellierte. Konflikte gab es aber auch mit der Evangelischen Kirche (Augsburger Bekenntnis A.B.). Niklaus sprach in diesem Kontext von „großen Vorurteilen“ bei den Lutheranern. Die Schweiz war gespalten zwischen „reformatorischen“ und „altgläubigen“ (katholischen) Orten.

In der Zürcher St. Peter-Kathedrale sagt auch Peter Dettweiler, Zwingli bedürfe einer „Imagekorrektur“. Theologisch war er sehr gebildet, doch das galt auch für die Protagonisten der Täufer, „die zu anderen Schlüssen kamen und radikaler waren - gegen Bilder, gegen Messen, für Erwachsenentaufen“. Die Täufer-Führer in Zürich nahmen ein böses Ende. Felix Manz wurde 1527 in der Limmat ertränkt. Konrad Grebel starb im Jahr zuvor in Graubünden an der Pest. Anhänger der Täufer wurden in bestimmte Landesgebiete verbannt. Viele wanderten aus, denn ihnen drohten Enteignung, Folter, Hinrichtung. Sie galten als Ketzer und Staatsfeinde, weil sie überdies den Militärdienst verweigerten.

Zwingli selbst starb im Kampf gegen die Täufer 1531 in Kappel. Zu einer offiziellen Aussöhnung kam es erst 2004, als die Reformierten bekannten: „Die damalige Verfolgung war ein Verrat am Evangelium.“ Die Geschichte der Täufer sei Teil der Geschichte der Reformierten. Dettweiler formuliert es so: „Wir sind Geschwister, geboren aus der selben Reformationsbewegung.“ Am 26. Juni 2004 wurde an der Limmat, quasi an der Wiege des Täufertums, ein Gedenkstein enthüllt, im Beisein von US-Mennoniten. Heute pilgern Nachfahren von Täufer-Gemeinschaften aus den USA - neben Mennoniten auch Amish und Hutterer - zu dieser Stelle.

Die aus Schottland stammende reformierte Pfarrerin Catherine McMillan ist die Jubiläumsbeauftragte der Schweizer Reformierten. Im Zusammenhang mit der von ihrer Kirche angestrebten Neubewertung Zwinglis verweist sie auf einen Film, der im Jänner präsentiert werden soll, mit Max Simonischek in der Hauptrolle.

Heute geht es nach den Worten von Niklaus Peter darum, in der Ökumene voneinander zu lernen. „Die Reformierten haben eine nüchterne Liturgie“, bringt er es auf den Punkt. Oft mache man ihnen den Vorwurf einer gewissen Kopflastigkeit. Mit einer heiteren Note zitiert er den Feuilleton-Chef der „Neuen Zürcher Zeitung“, der einmal zu ihm sagte: „Eure Messen sind wie Lektionen in Erwachsenenbildung.“ In anderen Worten: nicht nahe genug an der Bevölkerung.

Für Katholiken mag auch die nüchterne Atmosphäre in reformierten Gotteshäusern gewöhnungsbedürftig sein. Die Altarräume vormals katholischer Kirchen wurden im Zuge der Reformation ausgeräumt, oft eine Kanzel ins Zentrum gestellt, von wo der Pfarrer zum Volk predigte. Das Frauenmünster bildet eine Ausnahme. Die fünf hohen Glasfenster, die Marc Chagall 1970 mit alttestamentarischen Szenen schuf, sind farbige Meisterwerke.

Gottfried Locher, Präsident Evangelischer Kirchen Europas (GEKE), informiert über die geplante Strukturreform der Reformierten, über die im Dezember abgestimmt werden soll. Der GEKE gehören 26 Gemeinschaften an, die Lutheraner sind nicht dabei. In der Schweiz sind rund 37 Prozent Reformierte, rund 27 Prozent Katholiken. Lutheraner, meist Ex-Pats, bilden eine Minderheit. Die Kirchengemeinden agieren sehr autonom, ebenso die Kirchen in den Kantonen. Das habe mit der Finanzierung zu tun. Locher: „Die Schweizer sind generell basisorientiert.“

Für viele Agenden sei allerdings „die Einschaltung einer höheren Ebene“ sinnvoll, plädiert der Chef des vor fast 50 Jahren gegründeten Evangelischen Kirchenbundes für Reformen. Auch inhaltlich schlägt Locher kritische Töne an. Ulrich Zwingli, der mit Billigung der Stadtväter die Reformation durchzog, „stand für den Aufbruch“. Doch einige seiner Nachfolger „waren theologisch wichtiger“, wie Heinrich Bullinger, dessen Gedanken etwa die Niederlande beeinflussten, und den kaum jemand kennt. Nicht zu vergessen Johannes Calvin, der aus dem katholischen Frankreich flüchtete und später in Genf der Reformation zum Erfolg verhalf.