Festspiele Erl: Bernd Loebe übernimmt nach Ende der Ära Kuhn
Wien/Erl (APA) - Die Ära Gustav Kuhn bei den Festspielen Erl ist zu Ende: Der umstrittene Impresario und Gründer des Tiroler Festivals hat n...
Wien/Erl (APA) - Die Ära Gustav Kuhn bei den Festspielen Erl ist zu Ende: Der umstrittene Impresario und Gründer des Tiroler Festivals hat nach Bekanntwerden von Vorwürfen sexueller Übergriffe nun alle seine Funktionen zurückgelegt. Mit dem 1. September 2019 folgt ihm als Künstlerischer Leiter der deutsche Opernintendant Bernd Loebe nach, der das Festival parallel zur Oper Frankfurt leiten wird.
Der 65-Jährige, der heute, Mittwoch, von Festspielpräsident Hans-Peter Haselsteiner bei einem Pressetermin in Wien präsentiert wurde, gab bereits einige Eckdaten seiner Pläne bekannt: Ab 2021 soll es über vier Jahre einen neuen „Ring des Nibelungen“ geben - die Wagner-Tetralogie wird die Sängerin und Regisseurin Brigitte Fassbaender inszenieren. 2020 ist ein neuer „Lohengrin“ geplant, der um eine Produktion von Engelbert Humperdincks „Die Königskinder“ ergänzt werden soll. Es sei nun wichtig, „alle Gedanken zu fokussieren auf die Zukunft“, so Loebe. „Ein Festival, dass tagtäglich mit schlechten Nachrichten in der Zeitung steht, muss damit rechnen, dass Publikum abwandert“, räumte er gleich zu Beginn ein. Man müsse davon ausgehen, dass dieses schlechte Image „dauerhaften Schaden“ anrichten werde.
Nun gelte es, mit allen Mitarbeitern Gespräche zu führen, um wieder „ein Gefühl der Identität und Loyalität“ herzustellen. Seine langjährigen Kontakte werde er nutzen, um Künstler nach Erl zu holen, „die in dieser familiären Zusammenarbeit die Chance sehen, etwas Besonderes zu schaffen“. Er pries die Leistung des Festivals, „aus dem Nichts“ musikalische Höhepunkte erreicht zu haben, die sogar eingefleischte Wagnerianer aus Bayreuth abwerben konnten. Priorität ist daher auch in Zukunft, „musikalisch ein Highlight“ abzuliefern - während aufgrund der limitierten technischen Möglichkeiten in Erl szenisch vor allem die Fantasie der Regisseure gefragt sei, um das Element Musiktheater zu stärken. „Sie werden gefragt sein, auf ein Urelement ihrer Arbeit zurückzugreifen, nämlich die Personenregie.“
Neben Brigitte Fassbaender und Bühnenbildner Johannes Leiacker stellte er als fixe Namen etwa die Dirigenten Joana Mallwitz sowie Sesto Quatrini vor - als zwei in einer Reihe „hochbegabter junger Dirigenten“, die um „hochkarätige Stimmen“ ergänzt werden sollen -, auch wenn sie noch eher am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Jedes Jahr sollen ein bis zwei neue Produktionen auf die Beine gestellt werden, wobei man Wagner jeweils um ein anderes Werk „spiegeln“ möchte. Befürchtungen, dass Erl zu einer „Filiale der Oper Frankfurt“ werde, müsse man nicht haben, sagte Loebe, es werde sich fast durchgängig um eigenständige Neuproduktionen handeln. Die Frage, ob er die Führung beider Institutionen bewältigen werde, habe er sich natürlich auch gestellt. Er sei es aber gewohnt, in hervorragend funktionierenden Teams zu arbeiten und traue sich daher zu, „beides zu schaffen“.
Bernd Loebe gehört zu den erfahrendsten Proponenten des deutschsprachigen Opernbusiness. Seit 2002 leitet der am 15. Dezember 1952 geborene Frankfurter das Opernhaus in seiner Heimatstadt - das unter seiner Ägide wiederholt zum Opernhaus des Jahres gekürt wurde. Am Main läuft sein Vertrag noch bis 2023. Nach seinem Jus-Studium hatte Loebe zunächst eine musikjournalistische Laufbahn eingeschlagen: er schrieb etwa für die FAZ oder die „Neue Musikzeitung“ und arbeitete in der Musikabteilung des Hessischen Rundfunks. 1990 wurde er dann als Künstlerischer Direktor an die Oper La Monnaie in Brüssel berufen, 2002 trat er sein Amt als Intendant der Oper Frankfurt an, wo er vor allem in die Herausbildung eines starken Ensembles investierte sowie in die Zusammenarbeit mit auch in Wien bestens bekannten Regiegrößen wie Claus Guth, Christof Loy oder Keith Warner. Seit 2009 ist er Vizepräsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und seit 2010 Vorsitzender der Deutschen Opernkonferenz.
Für Hans-Peter Haselsteiner war Loebe ob seiner „großen Erfahrung“ und „unbestrittenen Autorität“ der Wunschkandidat. Loebe befand sich daher auch nicht unter jenen 15 Männern und sieben Frauen, die sich auf die Ausschreibung beworben hatten, sondern wurde von Haselsteiner proaktiv angefragt. Er habe Urlaub auf der Turracher Höhe gemacht, erzählte Loebe heute, und Haselsteiner sei mit dem Helikopter angereist. „Das macht natürlich Eindruck.“ Die Suche nach einem Nachfolger habe allerdings schon vor Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Kuhn begonnen, betonte der Festspielpräsident. Seinen endgültigen Rückzug aus allen Funktionen habe ihm Kuhn unmittelbar nach seinem Interview in der ORF „ZIB 2“ am Montag mitgeteilt.
Von eben jenem Interview, in dem Kuhn alle Vorwürfe bestritten und die ihn belastenden Sängerinnen beschuldigt hatte, die Vorwürfe aus Kränkung über nicht erhaltene Rollen erfunden zu haben, zeigte sich die Tiroler Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) in der heutigen Ausgabe der „Tiroler Tageszeitung“ „sehr betroffen“. Heute begrüßte sie Kuhns endgültigen Rückzug. „Es war der richtige Schritt“, meinte Palfrader im Gespräch mit der APA. Es seien schwierige Zeiten für die Festspiele Erl gewesen, doch nun müsse man mit Loebe auf einen Neustart setzten. „Man muss sich nun darauf konzentrieren, was Erl kann - nämlich mit guter Qualität überzeugen“, erklärte die Landesrätin, die sich über Loebe als Nachfolger Kuhns freute. Dass die Festspiele durch die zahlreichen Vorwürfe Schaden genommen haben, glaubt sie nicht.
Was die Vorwürfe arbeitsrechtlicher Verletzungen gegen die Festspiele betrifft, zeigte sich Haselsteiner überzeugt, dass davon „nichts übrigbleiben“ werde. „Wir wurden und werden intensiv geprüft“, er gehe davon aus, dass etwaige Beanstandungen nur Dinge betreffen würden, „die es überall sonst auch gibt“, dazu käme der spezielle Umstand der Ausländerbeschäftigung. Man fühle sich jedenfalls verpflichtet, „die Gesetze penibel einzuhalten“. Die Festspiele werden derzeit vom Landesrechnungshof geprüft. Seitens der Bezirkshauptmannschaft Kufstein wurde Ende August bekanntgegeben, dass „an die 100 Strafverfahren“ gegen die Festspiele anhängig sind. Es gehe dabei um den Verdacht der illegalen Beschäftigung von Ausländern und um nicht bezahlte Sozialabgaben nach dem ASVG-Gesetz.