Bunt und bodenständig: „Werte Familie“ im Volx/Margareten

Wien (APA) - „Jede Familie funktioniert total anders!“ Nicht, dass wir das nicht schon immer vermutet hätten, aber im Volx/Margareten, der N...

Wien (APA) - „Jede Familie funktioniert total anders!“ Nicht, dass wir das nicht schon immer vermutet hätten, aber im Volx/Margareten, der Nebenspielstätte des Wiener Volkstheaters, wird das jetzt recht überzeugend durchdekliniert. „Werte Familie“ ist kein herkömmliches Stück, und am Werk ist keine Profi-Truppe. Also verläuft auch die eineinhalbstündige Neuproduktion, die gestern Premiere hatte, total anders.

Regisseurin Jessica Glause, die hier bereits vor drei Jahren eine „theatrale Feldforschung“ zum Thema „Nachtschicht“ herausgebracht hatte, hat sich aufgemacht, um die heutige Vielschichtigkeit des Begriffs Familie zu dokumentieren, der nicht einmal mehr in konservativen Kreisen ausschließlich auf das Kernmodell „Mutter Vater Kind Kind Kind“ (wie es an diesem Abend mehrfach heißt) beschränkt ist.

Fünf Frauen bekommen die Gelegenheit, ihre sehr unterschiedlichen eigenen Erfahrungen als Jugendliche wie als Erwachsene zu erzählen - von der bürgerlichen Großfamilie mit acht Kindern über kollektive, solidarische Lebensformen, dem Aufwachsen als Heimkind und Leben am Rande der Gesellschaft mit nur sehr weitmaschigem Auffangnetz bis zur Alleinerzieherinnen-WG und der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit kooptiertem leiblichen Vater des gemeinsamen Kindes. Bunt ist er, der neue Familienbegriff, und Probleme macht er wie alle Arten des Zusammenlebens vor ihm.

Auf der Bühne stehen Frauen, die das nicht gewohnt sind. Das ist der Reiz, der Charme und das Problem der Aufführung zugleich. Michaela Eisold-Pernthaller, Maria Lodjn, Luciana Siegenthaler und Alexandra Yildiz haben zwar viel Interessantes über sich selbst zu erzählen, sollen sich aber gleichzeitig an den gemeinsam erarbeiteten und festgelegten Text halten. Das lässt Souffleur Luca Perfahl in die Hauptrolle des vielfach angerufenen Nothelfers schlüpfen. Nur Shabnam Chamani, Studentin des DiverCITYLAB, hat Bühnenerfahrung. Sie steht hier stellvertretend für eine als Kind nach Vorarlberg eingewanderte Kurdin und erzählt deren Geschichte.

Ausstatterin Mai Gogishvili hat ein Sammelsurium an Requisiten zur Verfügung gestellt, die auf der sonst leeren Bühne hin- und hergeschoben werden. Ein goldenes Nashorn, die gestürzte Statue eines übermächtigen Großvaters, abgeschnittene Teddybärenköpfe, eine große Madonnen-Statue und Mini-Bühnen, auf denen u.a. die Bechermethode bei der künstlichen Befruchtung vorgezeigt wird. Das Requisitenspiel ist mitunter mehr Ablenkung als Fokussierung. Denn im Zentrum stehen die fünf Frauen, ihre Geschichten und ihre Persönlichkeiten. Und wenn sie allen Mut zusammennehmen, singen sie auch. Kleine Show-Momente und am Ende großer Jubel. Familie oder Freunde? Ganz egal. Die Anteilnahme ist die Hauptsache.

(S E R V I C E - „Werte Familie“ von Jessica Glause und Ensemble, Regie: Jessica Glause, Bühne und Kostüme: Mai Gogishvili, Musik: Gilbert Handler. Mit Michaela Eisold-Pernthaller, Maria Lodjn, Luciana Siegenthaler, Alexandra Yildiz und Shabnam Chamani. Volx/Margareten, Uraufführung. Karten: 01 / 52111-400, Nächste Aufführungen: 28.10., 5., 15.11., 20 Uhr, www.volkstheater.at)

(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen unter www.volkstheater.at zum Download bereit.)