Fischler: Chancen für Brexit-Deal bei weniger als 50 Prozent
Wien (APA) - Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler blickt pessimistisch auf die Schlussphase der Verhandlungen über einen Austritt Großbri...
Wien (APA) - Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler blickt pessimistisch auf die Schlussphase der Verhandlungen über einen Austritt Großbritanniens aus der EU. „Die Chance, dass wir eine halbwegs vernünftige Verhandlungslösung am Ende des Tages auch in Kraft sehen werden, die sind zur Zeit nicht einmal bei 50 Prozent“, sagte Fischler am Donnerstag bei einer Veranstaltung des Business Circle in Wien.
„Es ist zwar so, dass intern auf der Fachleute-Ebene die Verhandlungen gar nicht so schlecht laufen, aber das eigentliche Problem ist die britische Seite“, meinte der Präsident des Europäischen Forums Alpbach im Rahmen eines „Breakfast Briefing“, das von Raiffeisen Bank International (RBI) und PricewaterhouseCoopers (PwC) mitorganisiert wurde. Bei einer „halbwegs guten Lösung“, mit der auch Brüssel leben könne, werde es nämlich sofort heißen, die britische Regierungschefin Theresa May sei „über den Tisch gezogen worden“. Dies sei eine „schlechte Voraussetzung“ für eine Zustimmung des britischen Parlaments, das einen möglichen Deal absegnen muss. „Die Anhänger des harten Brexit sind im britischen Parlament noch immer ziemlich zahlreich“, so Fischler. „So wie die Dinge zur Zeit liegen, schaut es alles andere als gut aus.“
Bei seinem Vortrag unter dem Titel „Europa umbauen, damit wir eine gute Zukunft haben“ plädierte Fischler für ein engeres Zusammenrücken der EU-Staaten, um die zahlreichen Herausforderungen von Digitalisierung bis Klimawandel besser bewältigen zu können, und um den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dazu sei keine Vertragsänderung vonnöten, man könne mit den bestehenden Verträgen „sehr viel mehr machen“ als bisher. Darunter fällt etwa eine enger aufeinander abgestimmte Außen- und Sicherheitspolitik, um echte „Weltpolitik“ betreiben zu können.
Nicht nur die komplexer gewordenen Beziehungen zu den USA müssten „breiter aufgestellt“ werden, auch in Bezug auf Russland wünscht sich Fischler eine neue Herangehensweise. „Da haben wir einen Fehler gemacht. Nach der Auflösung der Sowjetunion haben die Amerikaner, auch in der NATO, die Position bezogen, Russland sei keine Weltmacht mehr, sondern nur eine Regionalmacht, und daher (...) kann man es mehr oder weniger ignorieren.“ Dieser These seien die europäischen Staaten „zum Teil“ gefolgt. „Wir sollten uns hier stärker differenzieren von der amerikanischen Position, und vor allem, wir müssen Russland ernst nehmen.“ Russland sei auf diplomatischer Ebene „vernachlässigt“ worden, der Dialog müsse nun verstärkt werden.
Das Thema Migration sei innerhalb der EU in den letzten Jahren überbewertet worden, meinte der ehemalige ÖVP-Landwirtschaftsminister. Eine „Reihe von Mitgliedsstaaten“ hätten diese Frage „emotional enorm“ aufgeladen. Ein Blick auf die stark gesunkenen Ankunftszahlen zeige, dass die Migration weniger problematisch sei, als „uns eingeredet wird“. Befassen müsse man sich aber mit denen, „die schon hier sind“.