„The Corporation“ - die Mafia auf kubanisch
Washington/Havanna (APA) - Wer an Mafia oder Organisierte Kriminalität in den USA denkt, sieht Sizilianer oder Iren vor sich. Dass ab den 60...
Washington/Havanna (APA) - Wer an Mafia oder Organisierte Kriminalität in den USA denkt, sieht Sizilianer oder Iren vor sich. Dass ab den 60er-Jahren nach der missglückten Invasion in der Schweinebucht eine mächtige exilkubanische Organisation entstand, thematisiert nun der US-Journalist und Mafiakenner T.J. English in seinem Buch „The Corporation - Aufstieg und Fall der kubanischen Mafia“.
Der Autor legt damit ein True-Crime-Buch über die Historie dieser kriminellen Organisation vor. Wenn English auch da und dort mit einer sehr amerikanisch determinierten Sichtweise auf Fidel Castro und die kubanische Revolution auffällt, so sind die rund 700 Seiten doch ein sehr spannend zu lesendes Stück Verbrechensgeschichte.
Der Aufstieg der kubanischen Mafia wurde durch einige Faktoren begünstigt, wie English darlegt: Da ist zum einen Bolita, eine kubanische Variation des illegalen Glücksspiels, die sich schon vor der Revolution auf ihrer Heimatinsel in der kubanischen Gemeinde Floridas großer Beliebtheit erfreute. Bolita war es auch, das Auslandskubaner in den USA frühzeitig mit den italoamerikanischen Mafiafamilien in Kontakt brachte.
Zum anderen war es die Machtübernahme auf Kuba durch Castro. Dies löste eine Emigrationswelle unter seinen Gegnern aus, zunächst bei Anhängern des früheren Präsidenten Fulgencio Batista, die Angst vor politischer Verfolgung hatten, dann auch zunehmend unter enttäuschten früheren Anhängern des „Comandante en Jefe“. Einer war Jose Miguel Battle, Beamter der Sittenpolizei in Havanna und fallweise Geldlieferant für den Mafiapaten Santo Trafficante an Batista. Nach der Revolution wurde er zur Verkehrspolizei versetzt, was er zum Anlass für seine Auswanderung in die USA und für seine fanatische Gegnerschaft zu den neuen Machthabern auf Kuba nahm.
Im April 1961 war Battle zurück: Als Mitglied der Brigade 2506 landete er in der Schweinebucht und wollte das Regime beseitigen. Doch die rund 1.300 Exilkubaner wurden erwartet, nach drei Tagen war die Invasion gescheitert. Die Überlebenden wurden inhaftiert, darunter Battle. Im Dezember 1962 wurden sie freigelassen und durften in die USA zurückkehren. Die niedergeschlagene Invasion in der Schweinebucht und die fanatische Gegnerschaft der Überlebenden gegen Castro war wohl die dritte entscheidende Komponente für den Aufstieg der kubanischen Mafia.
English schildert, wie Battle seine Kontakte zu Trafficante reaktivierte und Bolita mit Duldung und Wohlwollen der italoamerikanischen Mafia - die natürlich für ihr Entgegenkommen an den Gewinnen beteiligt wurde - in großem Stil aufzog. Detailliert widmet sich der Autor den Schachzügen Battles im Umgang mit potenziellen Konkurrenten oder nicht führbaren Mitarbeitern, bis er zu einem der führenden Köpfe des Organisierten Verbrechens in Nordamerika aufsteigt. Langweilig wird das nicht.
(S E R V I C E - T.J. English: „The Corporation - Aufstieg und Fall der kubanischen Mafia“, Heyne Hardcore, München 2018, 704 Seiten, 28.80 Euro.)