Paketbomben und Attentat

Früchte des Zorns: Gewaltwelle erschüttert USA im Wahlkampf

US-Präsident Donald Trump ist am Sonntagabend (Ortszeit) nach London aufgebrochen.
© AFP/Loeb

Erst die Briefbomben an Trump-Kritiker, jetzt der antisemitische Anschlag mit elf Toten: Die Debatte um Trumps Verantwortung für die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas und damit verbundene Gewalttaten rückt wieder in den Vordergrund.

Von Daniel Jahn, AFP

Pittsburgh, Washington – Kurz vor den Kongresswahlen zur Amtshalbzeit von Donald Trump erleben die USA eine dramatische Eskalation der politischen Gewalt. Auf die an prominente Gegner des Präsidenten adressierten Briefbomben folgt am Samstag der Anschlag auf eine Synagoge mit elf Toten.

In der finalen Wahlkampfphase rückt damit die Debatte um die Ursachen der Hassverbrechen und Trumps Verantwortung für die Verrohung des politischen Klimas weiter in den Vordergrund. Der Präsident selbst beklagt nach dem von einem mutmaßlichen Judenhasser verübten Schusswaffenüberfall auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh die vergiftete Stimmung im Land. Für den Antisemitismus und andere Formen des Hasses dürfe es „keine Toleranz“ geben.

Kurzzeitig überlegt Trump auch, eine Wahlkampfpause einzulegen – reist dann aber doch zu einer Versammlung im Bundesstaat Illinois. Dort streicht er dann trotz seiner Ankündigung, den „Ton“ zu dämpfen, die aggressive Rhetorik keineswegs komplett aus seinem Repertoire. Seine Kritiker bezeichnet er etwa als „sehr dumme Leute“.

Medien: Trump der „Hauptverantwortliche“

Außerhalb des Trump-Lagers mehren sich unterdessen die Stimmen, die in den Gewalttaten die Früchte eines Zorns sehen, den auch der Präsident mit seiner diffamierenden Rhetorik angeheizt hat.

Unter Trump herrsche ein Klima, „in dem die Gefühle weißer Nationalisten und anderer Hassgruppen nicht mehr unterdrückt werden“, schreibt etwa Karen Tumulty, eine Kolumnistin der Washington Post. Trump sei der „Hauptverantwortliche“ für das Klima, das solche Taten hervorbringe, konstatiert auch David Rothkopf, ein Ex-Regierungsmitarbeiter unter Präsident Bill Clinton, in der israelischen Zeitung Haaretz.

Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich nach der Bluttat in Pittsburgh zahlreiche Menschen, die den Opfern gedachten.
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Gewalttaten kaum auf einen Nenner zu bringen

Die Motivlage bei dem am Freitag gefassten mutmaßlichen Briefbomber und dem direkt nach dem Blutbad in Pittsburgh festgenommenen Mann lässt sich aber nur sehr bedingt auf einen gemeinsamen Nenner bringen.

Der 56-jährige Cesar S. aus Florida, der die mindestens 13 Sprengsätze unter anderen an Hillary Clinton und Ex-Präsident Barack Obama versendet haben soll, ist offenkundig ein fanatischer Trump-Fan. Er nahm an Trump-Veranstaltungen teil, schüttete in Onlinenetzwerken seinen Hass auf dessen Gegner aus und kleisterte seinen Lieferwagen mit Pro-Trump-Aufklebern zu.

Der mutmaßliche Synagogen-Attentäter Robert B. scheint hingegen keineswegs ein Anhänger des Präsidenten zu sein. Über die Onlineplattform „Gab“ soll er nicht nur antisemitische Hetze verbreitet haben – sondern auch Kritik an Trump. Der Präsident sei von Juden „umgeben“, zitiert der Sender CNN eine Anmerkung des als B. identifizierten Autors.

Gemeint ist damit vermutlich unter anderen die Trump-Familie. Jared Kushner, der Schwiegersohn und Berater des Präsidenten, ist orthodoxer Jude. Seine Tochter Ivanka hat den Glauben ihres Mannes angenommen.

Zahl der Hassverbrechen deutlich gestiegen

Andererseits hat Trump aber immer wieder Signale ausgesendet, die von der rechtsextremen Szene als Ermunterung verstanden werden konnten. Dazu gehört seine Skandal-Äußerung zum rechtsextremen Aufmarsch im Sommer 2017 in Charlottesville, unter den Teilnehmern seien „sehr feine Leute“ gewesen.

Die Statistiken zeigen jedenfalls, dass seit Trumps Amtsantritt die politisch motivierten Delikte in den USA deutlich zugenommen haben. Nach Recherchen von Hochschulforschern stieg 2017 die Zahl der „Hassverbrechen“ in den größten Städten um zwölf Prozent. Die Zahl der spezifisch antisemitischen „Vorfälle“ nahm laut der US-Organisation Anti-Defamation League zwischen 2016 und 2017 sprunghaft um 57 Prozent zu.

Im Fall des Synagogen-Attentäters gibt es aber Indizien, dass ihn nicht nur Hass auf Juden, sondern auch auf Immigranten antrieb. In seinen mutmaßlichen Onlinebeiträgen wird gegen die jüdische Flüchtlingshilfsorganisation Hias agitiert und ihr vorgeworfen, den derzeitigen Flüchtlingstreck aus Zentralamerika zu finanzieren. Immigranten beschimpft der Autor als „Eindringlinge, die unsere Leute töten“.

Es sind verstörende Parallelen zur Rhetorik des Präsidenten, der illegal Zugewanderte pauschal als Sicherheitsbedrohung verunglimpft – und den Flüchtlingsmarsch als „Angriff auf unser Land“ angeprangert hat.