Strache im TT-Interview: „Kein Zugriff auf das Vermögen bei Arbeitslosen“
FPÖ-Chef Strache beklagt Querschüsse von „Alt-ÖVPlern“ und sieht seine Partei als „Motor der Erneuerung“. Statt der Notstandshilfe soll es ein Arbeitslosengeld II mit Versicherungsleistung geben.
Sie erkennen bei 75 Prozent der Regierungsarbeit eine blaue Handschrift. Woran machen Sie das fest?
Heinz-Christian Strache: Schon in den Regierungsverhandlungen habe ich darauf geachtet, dass unsere starke Handschrift sichtbar wird. Und das ist uns gelungen, so auch jetzt in der Umsetzung. Andererseits erklärt auch die neue ÖVP, dass die Regierungsarbeit zu 75 Prozent ihre Handschrift trägt. Und warum kann das sein? Das ist dem Umstand geschuldet, dass die ÖVP seit dem Obmannwechsel von (Reinhold) Mitterlehner zu Sebastian Kurz ihren falschen Kurs der vergangenen Jahre verlassen hat. Die ÖVP hat erkannt, dass die FPÖ die richtigen Themen besetzt.
Sind die Türkisen das neue Blau?
Zur Person
Heinz-Christian Strache übernahm im Jahr 2005, nach der Abspaltung des BZÖ, als Obmann die FPÖ. Der 49-jährige Strache ist somit der dienstälteste Parteichef der Republik.
Vor einem Jahr stellte Strache in den Koalitionsverhandlungen mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz die Weichen für eine rechtskonservative Koalition. Mitte Dezember wurde die neue Regierung angelobt. Für die Freiheitlichen ist dies nach der Koalition mit der SPÖ (1983 bis 1986) und der ÖVP (2000 bis 2006) nunmehr die dritte Regierungsbeteiligung. Strache ist als Vizekanzler unter anderem für den öffentlichen Dienst und Sport zuständig.
Der ausgebildete Zahntechniker war in seinen jungen Jahren am rechten Rand angesiedelt. Er ging im Hause von NDP-Gründer Norbert Burger, mit dessen Tochter er liiert war, ein und aus. Fotos, auf denen Strache bei wehrsportähnlichen Übungen zu sehen ist, brachten ihn Jahre später als Oppositionspolitiker in Bedrängnis.
Als Vizekanzler verurteilte Strache den Antisemitismus in den eigenen Reihen. Beim FPÖ-Akademikerball sagte er dieses Jahr: Das freiheitliche Lager habe seit jeher totalitäre Systeme bekämpft. „Das ist unser Verständnis. Und wer dieses Verständnis nicht trägt, der ist bei uns nicht willkommen.“ Unter seiner Obmannschaft erlebten die nationalen Burschenschafter einen Aufstieg in der FPÖ.
Verheiratet mit Philippa, wird Strache erneut Vater. Aus erster Ehe hat er bereits zwei Kinder.
Strache: Sicher nicht. Die Wähler wissen, wer das Original ist. Wir sind die Vorreiter der neuen Politik, wir sind der Motor der Erneuerung in der Regierung. Aber ich will schon die hervorragende Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Sebastian Kurz hervorheben. In der Koalition herrscht ein Miteinander, getragen von einem gegenseitigen Respekt.
Tragen Sie die Kritik Ihres Klubobmanns Walter Rosenkranz an den ÖVP-Landeshauptleuten im Westen mit? Er sieht diese Länderchefs noch nicht in der neuen ÖVP angekommen.
Strache: Das ist eine Frage, die die ÖVP zu klären hat. Die Querschüsse und Zwischenrufe von den Alt-ÖVPlern aus den Bundesländern oder von Herrn Karas aus Brüssel sind ja evident. Dieses Verhalten gibt kein Bild der Geschlossenheit ab. Hier muss die ÖVP noch einiges klären. Bei uns in der FPÖ gibt es diese Zwischenrufe nicht. Wir sind eine Einheit, wir ziehen in der FPÖ an einem Strang.
Versteht sich die FPÖ immer noch als „soziale Heimatpartei“?
Strache: Selbstverständlich. 13 Jahre wurden unsere Forderungen nach einer Entlastung der Familien abgelehnt, jetzt werden sie umgesetzt. Bei den Pensionisten wird es eine Erhöhung bis zur Inflation geben, bei den Kleinpensionisten sogar über der Inflation. Die Sozialisten haben zuletzt immer Pensionsabschlüsse unter der Inflation abgesegnet. Die Mindestpension wurde von uns auf 1200 Euro erhöht. Die Körperschaftsteuer werden wir halbieren, um den Unternehmern Anreize für Investitionen anzubieten. Wir sorgen mit einer neuen Grenzschutzeinheit und mit mehr Polizisten für mehr Sicherheit. Wir sind der Garant für ein scharfes Asylrecht. Zudem wird es mit uns eine echte Steuerreform geben, nicht bloß eine Tarifreform. Mit der Umsetzung der alten FPÖ-Forderung der Zusammenlegung der Krankenkassen schaffen wir eine Einsparung von einer Milliarde Euro, die dem Gesundheitssystem, also den Menschen, zugutekommen wird.
An diese Einsparung glaubt aber keiner der befragten Experten.
Strache: Es werden künftig nur noch 400 statt 2000 Funktionäre tätig sein, der Einkauf wird unter anderem zentral gesteuert. Durch solche Maßnahmen werden wir bis zum Jahr 2023 diese Einsparungen erzielen.
Ihre Angaben können wir jetzt beide nicht überprüfen.
Strache: Aber sie entsprechen der Realität.
Realität ist aber auch, dass jetzt Kürzungen bei der Mindestsicherung geplant werden, dass daran gedacht wird, die Notstandshilfe abzuschaffen. Das trifft dann auch die FPÖ-Klientel.
Strache: Da wird gezielt von der SPÖ eine Lügenpropaganda losgetreten. Man hat den Eindruck, dass Tal Silberstein noch für die SPÖ arbeitet. Es geht offensichtlich darum, vom eigenen Versagen, von den Uhren- und Bilder-Geschichten des Herrn (Thomas) Drozda abzulenken. Die FPÖ bleibt die soziale Heimatpartei. Deshalb sage ich Ihnen: Es wird bei Arbeitslosen oder Notstandshilfebeziehern keinen Zugriff auf das Auto, das Vermögen, das Eigenheim geben. Wer arbeiten will, aber keinen Job bekommt, oder wer lange gearbeitet hat, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, den lassen wir nicht im Stich.
Wir sind Garant für Fairness und Gerechtigkeit. Es wird kein Hartz IV geben, was ja in Deutschland unter der SPD eingeführt worden ist. Was es jedoch geben wird: Man muss künftig fünf Jahre im Land leben, um Anspruch zu haben. Bei Ausländern mit geringen Deutschkenntnissen, bei einer Verweigerung von AMS-Kursen wird es bei der Mindestsicherung neu eine Verlagerung von Geld- auf Sachleistungen geben. Bei der geplanten Mindestsicherung neu sollen zudem die Alleinerzieherinnen und die Pflegebedürftigen profitieren.
Das wirkt alles so, als würde sich die Mindestsicherung neu vor allem gegen Ausländer richten.
Strache: Der Gleichheitsgrundsatz wird nicht verletzt. Aber es stimmt, wir wollen und werden den Zuzug in unser Sozialsystem erschweren oder stoppen.
Plant die Bundesregierung jetzt, die Notstandshilfe abzuschaffen? Denn anders als die Mindestsicherung, die eine Fürsorgeleistung ist, handelt es sich bei der Notstandshilfe um eine Versicherungsleistung.
Strache: Wir werden im Laufe der Legislaturperiode die Notstandshilfe in eine Neuregelung des Arbeitslosengeldes überführen. Aber es wird die Versicherungsleistung auch bei einem Arbeitslosengeld II weiter geben.
Die FPÖ feiert die Ablehnung des UNO-Migrationspakts als großen Erfolg. Warum waren Sie gegen einen möglichen Weg eines Vorbehalts?
Strache: Weil das ein unehrlicher und paradoxer Weg gewesen wäre. Wenn ich einen Pakt unterschreibe, muss ich ihn auch mittragen. Ich bin generell gegen eine verwaschene Politik. Wir lehnen den Pakt aus inhaltlichen Gründen ab.
Der Pakt wurde bei den Vereinten Nationen seit dem Jahr 2016 verhandelt, auch unter der Mitwirkung des früheren Außenministers Sebastian Kurz und Ihrer Außenministerin Karin Kneissl.
Strache: Da war auf Beamtenebene zu lange ein Autopilot eingeschaltet. Das wurde in koalitionsinternen Gesprächen aber geklärt.
Haben Sie dabei die Außenministerin überzeugen müssen?
Strache: Nein, ich bin mit Karin Kneissl einer Meinung.
Was sagen Sie zu den kritischen Wortmeldungen des Bundespräsidenten in dieser Causa?
Strache: Ich respektiere, dass der Herr Bundespräsident in dieser Frage eine andere Position einnimmt. Genauso muss der Bundespräsident akzeptieren, dass die Regierung gegen den UNO-Migrationspakt ist.
Herbert Kickl wollte eigentlich Klubobmann bleiben. Sie haben ihn dazu überredet, das Amt des Innenministers zu übernehmen.
Strache: Und darüber bin ich froh. Es ist seit jeher mein Zugang gewesen, die besten Persönlichkeiten um mich zu versammeln. Ich will als Obmann und als Vizekanzler die Verantwortung auf breite Schultern verteilen. Unter Innenminister Herbert Kickl ist es in diesem Land wieder sicherer geworden.
Das Verhalten von Generalsekretär Peter Goldgruber in der BVT-Affäre dürfte aber für Innenminister Kickl nun zur Belastung werden.
Strache: Überhaupt nicht. Nicht alles, was die Opposition behauptet, entspricht der Wahrheit.
Können Sie mir zum Schluss noch Ihren Plan zur ORF-Reform verraten?
Strache: Nein, denn das würde dem neuen Stil in der türkis-blauen Bundesregierung klar widersprechen: Zuerst werden wir das alles koalitionsintern, unter Einbeziehung von Experten, beraten – und erst dann die Öffentlichkeit informieren.
Aber die Abschaffung der ORF-Gebühren bleibt Ihr Ziel?
Strache: An dieser freiheitlichen Forderung halten wir fest, weil die ORF-Gebühren ein Anachronismus sind. Aber es stimmt, dass ich für die beschlossene Rundfunkreform in Dänemark Sympathien hege (Dänemark hat die Rundfunkgebühren abgeschafft und finanziert die öffentlich-rechtlichen Sender künftig über Steuern, Anm.).
Das Gespräch führte Michael Sprenger