Rendi-Wagner will rackern: SPÖ wählt neue Parteichefin
Mit überzeugenden 97,8 Prozent wurde Pamela Rendi-Wagner in Wels zur Nachfolgerin von Christian Kern gewählt. Die erste Frau an der SPÖ-Spitze griff in ihrer Rede die Regierung scharf an.
Von Serdar Sahin
Wels – „A Sky Full of Stars“ von Coldplay wird gespielt, als Pamela Rendi-Wagner von Kindern begleitet die Bühne in der Welser Messehalle betritt. Die Genossen begrüßen sie mit Standing Ovations. Es gibt Umarmungen. Ein Bild der Geschlossenheit soll das vermitteln. Es soll zeigen, dass alle hinter der neuen SPÖ-Chefin stehen.
Die Partei hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Sie verlor das Kanzleramt an die ÖVP und macht nun Opposition. Flügelkämpfe wurden offen ausgetragen. Vor einigen Wochen warf Christian Kern das Handtuch und verkündete seinen Rückzug von der Parteispitze. Pamela Rendi-Wagner übernahm das Ruder in der SPÖ. Seitdem ist es ruhig um die Sozialdemokratie.
Das soll sich nun ändern. In ihrer Antrittsrede beim Parteitag an diesem Wochenende hat Rendi-Wagner die künftige Richtung der Partei vorgegeben – und sie hat auch scharf gegen die Bundesregierung ausgeteilt. „Es ist armselig, keine Volksabstimmung zum Rauchverbot in der Gastronomie zuzulassen, obwohl fast eine Million Menschen eben für dieses Rauchverbot unterschrieben haben“, kritisierte sie. Das „Husch-Pfusch-Gesetz“ zum 12-Stunden-Arbeitstag nennt Rendi-Wagner „beschämend“. Die Kassenreform sieht die frisch gekürte SPÖ-Chefin als „Startschuss für eine schleichende Privatisierung unseres solidarischen Gesundheitssystems“.
Vor allem ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz steht dabei im Zentrum ihrer Kritik. Seit sieben Jahren sitze Kurz in der Bundesregierung. Aber sie frage ihn: „Lieber Sebastian, was genau hast du in all diesen Jahren eigentlich gemacht?“ Das kommt beim Publikum gut an – es gibt tosenden Applaus. Rendi-Wagner wirft Kurz Tatenlosigkeit vor, er würde „beschreiben, kommentieren und kritisieren“. Und sie sagt: „Aber Sebastian, du bist Politiker, und Politiker handeln und tun.“ Ringe sich Kurz dann doch einmal zu einer Entscheidung durch, sei diese falsch, wie das Nein zum UNO-Migrationspakt.
Die SPÖ will andere Wege gehen. „Die Sozialdemokraten sind die Partei für jene, die nicht auf die Butterseite gefallen sind, sondern jeden Tag kämpfen müssen“, sagt Rendi-Wagner. Viel dreht sich um das Thema „Gerechtigkeit“.
So befindet sie, dass es der Wirtschaft gut gehe, die Steuereinnahmen würden steigen. Nur: „Was spüren die Menschen davon? Fakt ist: Die monatliche Miete steigt, der tägliche Einkauf wird immer teurer. Die SPÖ muss klar auf der Seite derer stehen, deren Einkommen nicht in dem Tempo steige wie die Preise.“ Sie spannt einen Bogen zu „leistbarem Wohnraum“. Die Wohnkosten würden für manche fast 40 Prozent des Einkommens ausmachen. Rendi-Wagner schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf Mieten abzuschaffen. Damit würde mehr als eine Miete pro Jahr eingespart werden.
Zum Thema Migration sagt sie: „Unser Ansatz ist Humanität und Ordnung“. Man bekenne sich „uneingeschränkt“ zur Genfer Flüchtlingskonvention und zur humanitären Verpflichtung, Geflüchteten vor Terror und Gewalt Schutz zu bieten. Sie sagte aber auch, dass „vor Ort“ immer „am besten geholfen“ werden könne. Das würde zwar viel kosten, aber „immer noch weniger als die Bankenrettung der vergangenen Jahre“.
Zudem brauche es mehr Geld für „Brennpunktschulen“ und flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen. Bildung sei wie eine „Schutzimpfung“, erklärt Rendi-Wagner, die auch Ärztin ist.
Ihrem Vorgänger Christian Kern dankt sie, dass er ihr die Möglichkeit gegeben habe, Gesundheitsministerin zu sein. „Das werde ich dir nie vergessen.“ Dieser zieht derweil unter Applaus durchs Publikum ein, und er kämpft sichtlich mit den Tränen (mehr dazu oben rechts). Gegen Ende ihrer Rede stellte Rendi-Wagner noch klar: „Ich bin eine Feministin.“ Dabei ging es um „Chancengleichheit für Frauen“. Die umstrittenen Aussagen des designierten Chefs der Tiroler SPÖ, Georg Dornauer, waren hingegen kein Thema auf dem Podium.
Schließlich werde man gemeinsam die Menschen überzeugen, dass die Sozialdemokratie ihnen und dem Land guttun werde, sagte Rendi-Wagner. „Ich werde schuften und rackern. Mit den besten Argumenten und größter Überzeugung werde ich dafür kämpfen, dass wir wieder stärkste politische Kraft in diesem Land werden – und ich die erste Bundeskanzlerin dieser Republik werde.“
Beim Parteitag wurde Rendi-Wagner auch offiziell zur neuen Vorsitzenden gekürt. Sie erhielt 97,8 Prozent der Stimmen. Das ist ein starkes Ergebnis, aber kein Rekord. Der Bestwert stammt von Bruno Pittermann, der 1957 auf 99,6 Prozent kam, Fred Sinowatz überzeugte 1983 mit 99,4 Prozent. Werner Faymann wählten 98,4 Prozent bei seiner Premiere im Jahr 2008. Kern wählten vor zwei Jahren 96,8 Prozent.