Reschenpass demnächst unter Hochspannung
Die Austrian Power Grid plant ein Umspannwerk in Nauders. Am Reschen entsteht ein neues rund 25 Kilometer langes Hochleistungsnetz bis ins Vinschgau.
Von Matthias Reichle
Nauders –Zwischen Nordtirol und Italien fließt zwar viel Verkehr – aber kein Strom. Die Hochspannungsleitungen über den Brenner wurden in den 60er-Jahren gekappt, aktuell gibt es österreichweit nur die Verbindungen von Lienz nach Venetien sowie von Arnoldstein nach Tarvisio. Künftig sollen die Stromnetze am Reschen neu geknüpft werden – so der Plan der Gesellschaft Terna, die das italienische Stromnetz betreibt und zu den größten Netzbetreibern Europas gehört, und ihres österreichischen Gegenstücks, der Austrian Power Grid AG (APG). Die Vorbereitungen für das Großprojekt laufen derzeit auf Hochtouren. Die APG hat ihren Projektteil am 14. November beim Land Tirol zur Genehmigung eingereicht. Am 13. Dezember finden die energie-, forst- und wasserrechtlichen Verhandlungen statt. Die geplante 220-kV-Leitung geht von Nauders über die Staatsgrenze bis zum Umspannwerk Glurns im Vinschgau – von dort wird die Stromleitung weiter in die Lombardei nach Premadio geführt.
Man sei im Plan, heißt es Seitens der APG. Ursprünglich habe man noch damit gerechnet, im ersten Halbjahr einzureichen. Am anvisierten Ziel, 2021, spätestens 2022 in Betrieb zu gehen, habe sich allerdings nichts geändert.
Über die Kosten gibt es von Seiten der APG keine Informationen. Der österreichische Anteil an der Gesamtstrecke ist mit 1,5 Kilometern relativ gering. Auf der italienischen Seite ist von 70 Mio. Euro die Rede. Dort werden 24 Kilometer Leitung gegraben. Auch in Tirol sollen die neuen Kabel unterirdisch verlegt werden.
Größter Anlagenteil ist ein neues Umspannwerk, das einen Kilometer von der Staatsgrenze entfernt an der Reschenstraße gegenüber dem Nauderer Ortsteil Fuhrmannsloch gebaut werden soll. Dabei handelt es sich um zwei gasisolierte Schaltanlagen, die in zwei Hallen untergebracht sind. Sie schließen an die bestehende 380-kV-Leitung Westtirol-Pradella an. Die neue 220-kV-Leitungsverbindung bis zur Staatsgrenze wird unterirdisch verlegt.
Der Nauderer Bürgermeister ist durchaus skeptisch: „Die große Gaudi haben wir nicht, weil es ein Einschnitt ins Ortsbild ist“, erklärt Dorfchef Helmut Spöttl. „Tatsache ist aber, dass das nicht zu verhindern sein wird.“ Zu groß ist das öffentliche Interesse an der Strom-Ehe mit Italien, die derzeit am Reschenpass geschlossen wird. Die größte Beeinträchtigung haben künftig allerdings die Bewohner des Ortsteils Fuhrmannsloch. „Sie sehen einen Gebäudekomplex vor sich.“ Die Gemeinde sei allerdings bei der Standortfrage und der Fassadengestaltung eingebunden, so Spöttl. Mit möglichen Bepflanzungen versuche man, das Bild abzumildern. Der Gemeinderat hat kürzlich zwei Dienstbarkeitsverträge zwischen der APG und der Gemeinde bzw. der Agrargemeinschaft abgesegnet.
Spöttl sieht auch Vorteile für Nauders: So bekomme die Kommune eine zweite Versorgungsleitung, die Volllast tragen kann, sollte die bestehende Freileitung unterbrochen werden.
Der Plan einer Verbindung Reschen – Vinschgau sei übrigens bereits einige Jahrzehnte alt, heißt es aus dem Tiroler Landhaus. Aktuell gibt es auch das Vorhaben, die Leitung über den Brenner zu reaktivieren – diese wäre allerdings wesentlich schwächer.