Österreich

40 Jahre Arlbergtunnel: 82 Millionen Fahrzeuge geschluckt

Österreichs nach wie vor längster Straßentunnel – zwischen St. Jakob und Langen am Arlberg – hat 40 Jahre auf dem Buckel. Rund 82 Millionen Fahrzeuge querten bisher die 13.972 Meter lange Röhre.
© Wenzel

Vor 40 Jahren, am 1. Dezember 1978, haben Österreichs ranghöchste Politiker den Arlbergtunnel eröffnet. Mehr als 2000 Besucher feierten die Freigabe des damals weltweit längsten Straßentunnels (13.972 Meter).

Von Helmut Wenzel

St. Anton am Arlberg — „Was Gott durch den Berg getrennt hat, soll der Mensch nicht mit einem Loch verbinden." Das alte Sprüchlein, in der Arlberg­region noch immer scherzhaft zu hören, klingt wie das 11. Gebot. Dennoch fuhren Dampfloks ab 1884 durch den 10.648 Meter langen Bahntunnel. Seit 1978 haben Tirol und Vorarlberg auch eine wintersichere Straßenverbindung: Der Arlbergtunnel — mit 13.972 Metern damals der längste Straßentunnel der Welt — ist heute immerhin noch die Rekordröhre der Alpenrepublik.

Freitag, 1. Dezember 1978: Bei frostigen Temperaturen durchschnitt Bundespräsident Rudolf Kirchschläger am Ostportal (unweit der Tunnelwarte St. Jakob) das weißrote Band. In der ersten Reihe mit dabei waren Bundeskanzler Bruno Kreisky, Tirols LH Eduar­d Wallnöfer, sein Vorarlberger Kollege Herbert Keßler, Finanzminister Hannes Androsch sowie Bautenminister Josef Moser. Die Bundeshymne ertönte, Schützensalven der Kompanie St. Anton waren beinahe im ganzen Stanzertal zu hören. Mehr als 2000 Besucher verfolgten den Festakt, Schüler der Hauptschul­e St. Anton trafen mit roten und weißen Luftballons ein. Die Politik sprach von einem „Meilenstein in Österreichs Straßenbau- und Verkehrsgeschichte", von einer „Leistung für ganz Europa", auf die Österreich stolz sein könne, und von „entscheidenden Verbesserungen der innerstaatlichen Verkehrsinfrastruktur, für den Personen- wie für den Güterverkehr".

LH Wallnöfer hob hervor, er habe 1970 in seinem „Tiroler Memorandum" an die Bundesregierung auf die Notwendigkeit des Arlbergtunnels hingewiesen. „Die Regierung in Wien hat Verständnis gezeigt", sagte Wallnöfer, der noch am selben Tag goldene Erinnerungsmedaillen und Ehrenzeichen des Landes überreichte. LH Keßler stellte fest: „Für die Vorarlberger ist der Tunnel ein Tor, das uns die Österreicher östlich des Arlbergs näher bringen wird." Die Segnungszeremonie gestaltete Bischof Paul Rusch.

Historischer Augenblick am Freitag, 1. Dezember 1978, um 14.46 Uhr: Bundespräsident Rudolf Kirchschläger durchtrennte das Eröffnungsband. Rechts Bundeskanzler Bruno Kreisky, links LH Herbert Keßler.
© E. Birbaumer

Bis zu 1200 Straßenbauer und Mineure waren ab 1973 auf der Arlbergbaustelle im Einsatz, im Tunnel wurde rund um die Uhr gearbeitet. Den „Kampf gegen den Berg" hatten die Mineure am 11. November 1977 gewonnen. An jenem Tag löste Tunnelpatin Vera Kreisky den letzten Sprengschuss, womit sich die Mineure von West und Ost mit einem „Glück auf" begrüßen konnten. Die Arbeiten hatten allerdings auch 14 Todesopfer gefordert. Deren Angehörige bzw. Kinder wurden noch Jahre danach von der Bruderschaft St. Christoph finanziel­l unterstützt.

Einer der Mineure war der heute 66-jährige Toni Auer aus Kärnten. Im August 1974, mit 22 Jahren, kam er „über Mundpropaganda" zu Österreichs größter Tunnelbaustelle. „Der Chef im Baubüro St. Jakob hat gefragt, was ich kann", erinnert er sich. „Ich bin gelernter Installateur." Prompt war ihm ein Job sicher. Auer übernahm einen Bohrwagen mit Elektrohydraulik. Damit kam der junge Mann ganz vorne beim Vortrieb zum Einsatz. Die gute Bezahlung, bis zu 30.000 Schilling monatlich (das Vier- bis Fünffache einer Verkäuferin), lockte Hunderte „Job-Abenteurer" aus nah und fern zur Baustelle. Der Job im Schichtbetrieb war hart, wie Auer erzählte: vier Tage Nacht-, vier Tage Mittags-, vier Tage Frühschicht, und dann vier Tage frei. „Ich bin sehr stolz, dass ich beim Arlbergtunnel dabei sein konnte", schmunzelt der Pensionist, der sich ein hübsches Haus in St. Jakob gebaut hat und dort mit seiner Familie lebt. Aus Dankbarkeit kümmert sich der damalige Mineur bis heute um die Barbara-Statue am Tunnelportal.

Heute rollen im Tagesschnitt 8000 bis 9000 Fahrzeuge durch die Röhre. Bei der Mautstation bzw. auf der Videomautspur gibt es kaum Wartezeiten. Anders beim Urlauberschichtwechsel in der touristischen Hochsaison, wo Staus bis Pettneu möglich sind. Die Forderung nach einer zweiten Tunnelröhre ist immer wieder zu hören, etwa von Funktionären der Wirtschaftskammer Landeck.

Asfinag-Geschäftsführer Stefan Siegele stellt klar: „Der Tunnel ist die wichtigste witterungsunabhängige Verkehrsverbindung zwischen Tirol und Vorarlberg. Die aktuelle Verkehrsfrequenz und -prognosen bedeuten, dass eine zweite Tunnelröhre in naher Zukunft kein Thema sein wird." Laut EU-Richtlinie müssen Tunnels mit täglich mehr als 10.000 Fahrzeugen eine zweite Röhre haben.

Section Control startet noch heuer

St. Anton am Arlberg — Mit einer Section-Control-Anlage lässt sich die durchschnittliche Geschwindigkeit von Fahrzeugen auf einem Streckenabschnitt messen. Überlegungen, ein­e derartige Anlage im Arlbergtunnel einzubauen, hat Asfinag-Geschäftsführer Stefan Siegele im Frühjahr bestätigt. Die nötigen Unterlagen wurden bei den Behörden eingereicht.

Auf TT-Nachfrage hieß es von der Asfinag, die Anlage im Arlbergtunnel soll noch im Dezember aktiviert werden. Details werde man kommende Woche bekannt geben. Begründet hat Siegele die geplante Maßnahme so: Section Control sei „die bestmögliche Präventionsmaßnahme gegen gefährliche Überholmanöver im Tunnel, die es leider imme­r öfter gibt".

Wer im Arlbergtunnel vorschriftsmäßig mit 80 km

h unterwegs ist, benötigt rund zehn Minuten. Wer schneller fährt, muss künftig mit einer Straf­e rechnen, im Regelfall mindestens mit 50 Euro. An den bisherigen Section-Control-Standorten in Österreichs sind die Anlagen auf eine Toleranz von drei km/h bzw. drei Prozent ab 100 km/h eingestellt.

Laut Statistiken hat sich die Unfallhäufigkeit auf Control-Strecken um 50 Prozent verringert. (hwe)