Deutsche Islam-Konferenz

Seehofer appelliert an Muslime: „Lehren aus NS-Zeit müssen für alle gelten“

Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht? Auf diese Debatte hat bei der Deutschen Islam-Konferenz keiner mehr Lust. Weil sie praktische Fortschritte behindert.
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Angesichts des wachsenden Antisemitismus nimmt Innenminister Seehofer die deutschen Muslime in die Pflicht. Auch für sie gelte es, Lehren aus dem Nationalsozialismus zu ziehen. Ein Zusammenleben sei nur auf Grundlage gemeinsamer Werte möglich.

Berlin – Mit einer kontroversen Debatte über ausländische Einflüsse in deutschen Moscheen ist die 4. Deutsche Islam-Konferenz (DIK) gestartet. Begleitet wurde die Auftaktveranstaltung am Mittwoch in Berlin von einem heftigen Schlagabtausch zwischen konservativen und liberalen Muslimen.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) forderte die islamischen Gemeinden in Deutschland auf, sich schrittweise von ausländischen Geldgebern frei zu machen. Die Moscheegemeinden sollten nicht nur Organisation und Finanzierung weitgehend selbst stemmen, sondern auch die Ausbildung von Predigern, sagte der CSU-Politiker.

„Jeder hat die gleichen Rechte und Pflichten“

Seehofer betonte: „Muslime haben selbstverständlich die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten wie jeder hier in Deutschland.“ Auch die Lehren aus dem Nationalsozialismus müssten für alle Bürger gelten. Für ein gutes Zusammenleben bedürfe es „einer echten Einigkeit über die Gültigkeit gemeinsamer Werte und Normen“.

„Viele Menschen fühlen sich durch den wachsenden Antisemitismus bedroht“, erklärte Seehofer in seiner Eröfffnungsrede. Ziel der Kooperation zwischen Staat und religiösen Verbänden müsse es sein, einerseits den Austausch zwischen muslimischen und jüdischen Gemeinden zu fördern und andererseits Moscheen von ausländischen Geldgebern zu lösen. Wie die Finanzierung konkret sichergestellt werden sollte, sagte Seehofer nicht. Er kündigte aber an, bestehende Förderprogramme für Integrationsprojekte der Moscheegemeinden würden ausgebaut.

Vom Direktor des Instituts für islamische Theologie der Universität Osnabrück, Bülent Ucar, musste sich der Minister Kritik anhören, weil er in einem Interview gesagt hatte, er halte den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ für falsch. Ucar sagte, auch wenn Seehofer dies nur historisch gemeint habe, sei die Äußerung für viele Muslime irritierend gewesen. Jetzt sei es aber Zeit, das Thema abzuhaken und nach vorne zu blicken.

„Kein Vormund sondern Brückenbauer“

Kritik hatte es in den vergangenen zwei Jahren vor allem an Predigten und Aktivitäten von Imamen des türkischen Islam-Dachverbandes Ditib gegeben. Einigen Predigern war vorgeworfen worden, sie hätten Gläubige bespitzelt. Weiterer Stein des Anstoßes waren Gebete für türkische Soldaten im Syrien-Einsatz. Die Imame der Ditib werden von der staatlichen türkischen Religionsbehörde nach Deutschland entsandt.

Seehofer forderte die Moscheegemeinden in seiner Rede dazu auf, sich unabhängiger vom Ausland zu machen und sich den nicht-muslimischen Nachbarschaften in Deutschland zu öffnen. Zu diesem Zweck stellte er auch zusätzliche Fördergelder in Aussicht. Gleichzeitig betonte er die Unabhängigkeit der deutschen Moscheegemeinden von staatlicher Einflussnahme. „Wir verstehen uns nicht als Vormund, sondern als Brückenbauer“, so der Innenminister.

Der Theologe Ucar und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, sprachen sich für eine deutsche Imam-Ausbildung nach dem Vorbild des christlichen Priesterseminars aus. Die nordrhein-westfälische Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) sagte, Salafisten sei es bedauerlicherweise gelungen, Jugendliche auf Deutsch anzusprechen und in ihrer Lebenswelt abzuholen. In den meisten nicht-radikal geprägten Moscheen fehlten dagegen „vertrauenswürdige Ansprechpartner“, die Deutsch sprechen und nah am Alltag der Jugendlichen sind.

Seehofer will neue Akzente setzen

Seehofer hat mit der Praxis seines Amtsvorgängers Thomas de Maizière (CDU) gebrochen, der die Islam-Konferenz vor allem für den Dialog staatlicher Akteure mit den mehrheitlich konservativen Islam-Verbänden genutzt hatte. Er hat neben den Verbandsvertretern auch Theologen, Aktivisten und Wissenschafter eingeladen, die mit diesen Verbänden im Clinch liegen.

Der Dialog solle sich nicht mehr allein auf Vertreter der Dachverbände beschränken, sondern auch Akteure der islamischen Zivilgesellschaft mit einbeziehen. „Wir wollen die Vielfalt und Pluralität des Islams in Deutschland abbilden“, erklärte Seehofer - und dazu gehörten auch die „säkulären, laizistischen Muslime“.

„Islam verändert sich rasant“

„Die Besetzung ist diesmal bunter, das finde ich gut“, sagte die Gründerin der liberalen Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates. Der Politologe Hamed Abdel Samad sagte, die Islam-Verbände seien keine Religionsgemeinschaften, sondern mehrheitlich „ethnisch-nationale Vereine“. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor beklagte, sie und andere liberale Muslime würden von den größeren islamischen Verbänden diffamiert.

Seehofer räumte zwar ein, dass sich insgesamt die Zusammensetzung der in Deutschland lebenden Muslime durch die stärkere Zuwanderung verändert habe. Er kritisierte aber auch, Integrationsprobleme würden „Zu schnell dem Islam insgesamt zugerechnet“. Auch die Straftaten Einzelner würden undifferenziert thematisiert. Ein Dialog könne nur dann stattfinden, wenn „im Rahmen der Gesetze“ diskutiert werde. (dpa, TT.com)