Tiroler Oberland

Pflegeheimen fehlen Mitarbeiter: In der Altenpflege „brennt der Hut“

Die stationäre Pflege alter Menschen in Heimen geht selbst am Stock. Zudem sinken die Schülerzahlen der Pflegeschulen Zams und Reutte.
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Das Tiroler Oberland ist keine Ausnahme: Der Mangel an Mitarbeitern in den Pflegeheimen scheint nicht lösbar, auch die Prognosen sind düster. Heute startet die Anmeldung für das neue Bachelorstudium.

Von Hubert Daum

Imst, Landeck, Reutte –In den Tiroler Pflegeheimen schrillen schon längst die Alarmglocken, geläutet von der ARGE Tiroler Altenheime. Die Pflege geht am Stock. Im „Positionspapier“ vom Juni 2018 wird die fatale Situation in der stationären Altenpflege deutlich erörtert: Bis zum Jahre 2022 sei tirolweit ein Personalmehrbedarf von 1450 Mitarbeitern zu erwarten, vor allem im Bereich der Pflegeassistenz. „Das Problem ist allen klar, auch der Politik, die sich auch um Lösungen bemüht“, sagt Robert Kaufmann, Obmann der ARGE, „mit dem Strukturplan Pflege baut das Land die Kapazitäten aus. Wo allerdings die Mitarbeiter herkommen, weiß ich nicht.“ Auch die Demographie arbeite dagegen: „Wir wissen, dass bis 2025 immer weniger junge Menschen in das Berufsleben eintreten.“

Immer mehr alte Menschen treten hingegen in Heime ein. Ein Blick auf die zehn Alten- und Pflegeheime des Bezirkes Imst zeigt aktuell das Problem auf: kein freier Heimplatz, 13 freie Arbeitsstellen. „Das sind nur die freien Stellen, die der ARGE gemeldet sind, es hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit“, weiß Kaufmann.

Im Pflegezentrum Pitztal ist zwar kein freier Arbeitsplatz ausgeschrieben, Heimleiter Adalbert Kathrein zeichnet trotzdem ein düsteres Bild: „Wenn man bedenkt, dass die Fluktuation jährlich bei über drei Arbeitskräften liegt, sind auch wir ständig auf der Suche nach Mitarbeitern. Der Druck ist enorm, wir haben aktuell eine Warteliste von 60 Personen, die in unser Heim wollen.“ Einer der größten Wünsche Kathreins ist jener, der auch im Positionspapier artikuliert wird: „Es sollte ein Lehrberuf werden. Aber verschiedene Institutionen wollen das nicht. Junge Menschen schulen mit 15 aus, die Pflegeausbildung darf erst ab 17 begonnen werden. In diesen zwei Jahren verlieren wir den Nachwuchs. Es brennt jedenfalls der Hut.“

Arnold Schett, Leiter des Heimes Via Claudia in Nassereith und des Rieder Heimes Santa Katharina: „In Nassereith suchen wir seit April drei Pflegemitarbeiter, in Ried helfe ich mir mit Leasingkräften aus.“ Für das Heim in Ried hat das Land Tirol übrigens Ende Oktober die Investition von über einer Million Euro zugesagt. Das bringt das Problem auf den Punkt: Die Kapazitäten werden ausgebaut, die Personaldecke wird dünner. Auch die Erweiterung des Pflegezentrums Gurgltal in Imst ist unter Dach und Fach. Für die Heimleiterin Andrea Jäger ist es ebenfalls „sehr schwer, Pflegekräfte zu finden“. Die rühmliche Ausnahme scheint das städtische Betagtenheim in Imst zu sein. „Ich sehe in unserem Haus keinen Mitarbeitermangel“, sagt Leiter Edgar Tangl, „ich ziehe mir meine Pflänzchen selbst.“ Tangl bemühe sich sehr um Praktikanten, die „nach der Ausbildung auch meistens zu uns kommen“. Er stelle lieber eine Person zu viel ein, es gebe ja einen natürlichen Abgang.

Nicht ganz so positiv tönt es aus Haiming. Karlheinz Koch leitet das dortige Wohn- und Pflegezentrum und auch jenes in Oetz. Kontinuität sei in der Pflege das oberste Gebot. Nur könne auch er diese nicht garantieren: „Ich arbeite notgedrungen auch mit Leasingmitarbeiterinnen von Personalvermittlungsfirmen – auch aus Osteuropa.“ Für Koch ist die Situation aber nicht aussichtslos: „Es gibt einige Maßnahmen der Landespolitik, ein vielversprechendes Pilotprojekt, und ein neues Gehaltsschema ist ebenfalls in Entwicklung. Dies alles wird mit der Zeit greifen, wir sind auf dem richtigen Weg.“

Dass der berufliche Weg in die Altenpflege der richtige ist, das bezweifeln offensichtlich immer mehr junge Menschen. Sowohl die Pflegeschule Reutte als auch jene in Zams kämpfen mit tendenziell sinkenden Schülerzahlen. „In den besten Zeiten hatten wir dreimal so viele Schüler wie jetzt“, weiß Pete­r Mitter­mayr, Direktor der Pflegeschule Reutte. Von den rund 100 Schülern in den drei Qualifikationsebenen kommt immerhin rund die Hälfte aus dem Oberland. Diese würden auch nach der Ausbildung dorthin zurückgehen. Pro Jahr gebe es zwischen 30 und 40 Abgänger, die Hälfte etwa im diplomierten Bereich. Ähnliche Zahlen vermeldet die Krankenpflegeschule St. Vinzenz in Zams. Cirka 100 Schüler seien aktuell in Ausbildung. Zwischen 15 und 25 Pflegeassistenten bzw. Pflegehelfer und rund 20 im diplomierten Bereich beenden jährlich die Ausbildung. Rund die Hälfte findet ihren Arbeitsplatz im Krankenhaus Zams.

Das seit Jänner geltende neue Pflegeberufsgesetz ersetzt die Diplomausbildung durch einen dreijährigen FH-Bachelor-Studiengang, der an beiden Schulen auch angeboten wird. Ab heute ist es übrigens möglich, sich dafür anzumelden. Natürlich löst dies das Problem des Personalmangels nicht. ARGE-Obmann Kaufmann: „Zurzeit sehe ich nur die Lösung in der Mitarbeitersuche im EU-Ausland. Und wir werden auch besser zahlen müssen.“