Verwaltung

Aufstand gegen den Zentralismus: Behörden sollen raus aus Wien

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© Thomas Böhm/TT

Föderalismusexperten und die Tiroler Politik wollen die Absage an den ländlichen Raum nicht mehr länger hinnehmen. Österreich kann nicht in Niederösterreich aufhören.

Von Peter Nindler

Innsbruck – Wie den ländlichen Raum stärken und die Abwanderung stoppen? Diese Frage beschäftigt die Tiroler Politik schon seit Jahren. Allein der Bezirk Lienz wird bis zum Jahr 2030 rund 2300 Bewohner verlieren. Deshalb sollte eigentlich der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und ähnlich wie in Bayern Bundesstellen in die Länder auslagern. Bund und Land investierten deshalb rund 22.000 Euro in eine Studie zur Dezentralisierung der Verwaltung. Ex-Minister Andrä Rupprechter wollte innerhalb von zehn Jahren 3500 Arbeitsplätze in die Länder verlegen.

Es war eine konzertierte politische Aktion mit starker Begleitmusik aus den ÖVP-dominierten Ländern wie Tirol. „,Ich freue mich über die sehr konkreten Pläne, das Institut für Bergbauernfragen von Wien nach Tirol zu übersiedeln. Tirol als Herz der Alpen ist genauso dazu prädestiniert, die Zentrale der Wildbach-und Lawinenverbauung zu beherbergen‘, hofft der Landeshauptmann auf weitere föderalistische Verwaltungseffekte für Tirol“, sagte LH Günther Platter (VP) am 24. März 2017. Und wie sieht es Ende 2018 tatsächlich aus?

Rupprechter ist Geschichte, an der in Wien beheimateten Wildbach- und Lawinenverbauung wird standortmäßig nicht gerüttelt und das Institut für Bergbauernfragen wurde mit der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft verschmolzen und bleibt in Wien. Punkt.

„Die Ballungszentren stoßen an ihre Grenzen, die peripheren Regionen müssen gegen Abwanderung kämpfen.“
Elisabeth Blanik

Platter mahnt jetzt die Verpflichtung des Bundes ein, denn Österreich könne nicht in Niederösterreich aufhören. Andererseits verweist er auf die Anstrengungen Tirols. „In Tirol sind wir stets bemüht, die Dezentralisierung und damit die Stärkung der Regionen zu fördern – sowohl in der Verwaltung als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen.“ So sind laut Platter mittlerweile Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern auch in den Bezirken vor Ort zu finden – wie etwa der Campus Lienz als Vorzeigeprojekt.

Peter Bußjäger vom Institut für Föderalismus in Innsbruck, der die seinerzeitige Dezentralisierungsstrategie der Verwaltung ausgearbeitet hat, sieht einen klaren Rückschritt. „Rupprechter ist nicht mehr Minister und sein vorhaben wohl Geschichte.“ Bußjäger hofft trotz der „Rückschritte auf Innovation“. In den von Justizminister Josef Moser (VP) forcierten Kompetenzbereinigungen zwischen Bund und Ländern sieht er föderalistische Lichtblicke, beim „Masterplan für den ländlichen Raum“ ist er weniger optimistisch. Die Verlagerung von guten Jobs in die Peripherie sei ein Anreiz „auch, dort zu bleiben“. „Ansonsten kann man gleich in Wien studieren“, so Bußjäger.

SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Blanik argumentiert ähnlich und spricht von einer „schmerzhaften“ Rückwärtsbewegung des Bundes und einer Absage an den ländlichen Raum. „Mehr als 60 der 68 Bundeseinrichtungen befinden sich in Wien. Burgenland und Niederösterreich profitieren von der Nähe zur Metropole, die übrigen Länder verzeichnen in nur zehn Jahren einen Abgang von rund 50.000 gut ausgebildeten Menschen.“ Nachweislich ist für Blanik die Dezentralisierung ein Erfolgsfaktor: „Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf steigt mit dem Dezentralisierungsgrad. Qualitativ hochwertige Jobs in den peripheren Regionen bieten landesweit gerecht verteilte Zukunftsperspektiven.“