ÖSV-Herren warten weiter auf Abfahrts-Podest in Beaver Creek
Auch fünf Jahre nach Reichelts zweiten Platz war auf der Raubvogel-Piste für die Österreicher nichts zu holen. Kriechmayrs „Attacke“ auf jenes Tor, das Hermann Maier einst berühmt gemacht hatte, lieferte immerhin das Foto des Tages.
Beaver Creek — Österreichs Abfahrer müssen weiter auf den ersten Podestplatz in Beaver Creek seit 2013 warten. In einem verkürzten und verrückten Rennen tat den mit hohen Erwartungen gestarteten ÖSV-Speed-Assen Platz fünf für Vincent Kriechmayr fast schon weh. Denn der Oberösterreicher hätte diese Abfahrt gewinnen können.
14 Hundertstel lag Kriechmayr bei der letzten Zwischenzeit noch vor dem späteren Sieger Beat Feuz. Doch mit der 43. Zeit im Schlussabschnitt warf der Österreicher seine Chancen auf ein Podium oder gar den vierten Weltcup-Sieg noch weg. „Er ist beim Harrier-Sprung zu gerade reingefahren und musste nachdrücken. Das geht auf diesem weichen Schnee nicht", analysierte ÖSV-Herrenchef Andreas Puelacher.
So schaffte es die starke Truppe von Sepp Brunner trotz aller Vorschuss-Lorbeeren erneut nicht, erstmals seit 2013 (2. Hannes Reichelt) einen Fahrer auf das Podest zu bringen. Der letzte ÖSV-Abfahrtssieg in Beaver Creek (Michael Walchhofer 2007) liegt schon elf Jahre zurück.
Kein „Beaver-Trauma"
Ein „Beaver-Trauma" gebe es aber nicht, betonte Puelacher. „Ich denke, dass wir es erzwingen wollten." Auf der für Beaver ungewohnt weichen Piste hätte man unbedingt locker fahren müssen. „Unsere waren aber insgesamt zu grob unterwegs. Die Mannschaft ist ja stark, wollte aber in dem Wissen, dass sie gut drauf ist, wohl zu viel. Sie waren fast alle zu verbissen oder zu verkrampft, um an diesem Tag ganz vorne zu sein." Dies sei aber nachvollziehbar und ihm auch lieber, wenn attackiert werde, betonte Puelacher. „Es ist auch nicht alles schlechtzureden." Christian Walder etwa ist es locker angegangen und mit Nummer 44 auf Platz 8 gefahren.
Die Abfahrt sei jedenfalls wegen der Verkürzung auf 74 Fahrsekunden das falscheste Rennen für Fehler gewesen. „Der Dreißigste war 1,16 Sekunden hinten. Das ist unglaublich", so Puelacher. Auch weitere Werte waren bemerkenswert. 21 Läufer etwa lagen innerhalb einer Sekunde. Den 13. und 20. trennten lediglich vier Hundertstelsekunden, sechs der acht Läufer waren dabei zeitgleich. Insgesamt gab es gleich sieben Ex-aequo-Platzierungen.
Skischuhschnalle ging auf
Auch Kriechmayr musste sich Platz fünf mit dem Franzosen Johan Clarey teilen. Der Oberösterreicher hatte vor seinem entscheidenden Fehler für die Szenen des Tages gesorgt. Im Steilhang attackierte er jenes Tor, das Hermann Maier einst berühmt gemacht hatte, so heftig dass er sich dabei den Arm heftig anschlug und zudem eine Skischuhschnalle aufging.
In dem Glauben, dabei auch eingefädelt zu haben, war danach die ganz große Spannung weg. „Es wäre sicher mehr drin gewesen, wenn er das anders wahrgenommen hätte", war sich Abfahrtscoach Brunner sicher.
Der Steirer war bei der Frage, warum sich Österreichs Abfahrer in Colorado schwertun, ebenfalls etwas ratlos. „Das ist uns schon im Vorjahr passiert dass wir mit mehreren Favoriten antreten, es aber nicht umsetzen. Dabei liegt uns diese Strecke besser als Lake Louise", sagte er. „Diese Abfahrt ist für einige unserer Athleten sogar maßgeschneidert. Vielleicht nehmen sie sich gerade deshalb zu viel vor."
Dabei habe man im Sommer speziell an den langen Kurven gearbeitet. Was in Kanada beim Sieg von Max Franz noch gut funktioniert hatte, ging beim Sieg von Feuz in Colorado aber daneben. Das habe auch für Kriechmayr gegolten. „Nach dem Fehler oben hat er zu hasardieren begonnen", glaubt Brunner. „Er muss lernen, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Warum sticht er oben so rein? Wenn er fährt wie im Training, ist er mit Abstand der Schnellste", war Brunner überzeugt. „Auch diese Abfahrt gewinnst du unten und nicht im Steilhang."
Sein Ex-Schützling Feuz habe diesbezüglich schon mehr Erfahrung. „Er ist der kompakteste Fahrer von allen, wird unten raus immer schneller." Kriechmayrs „Attacke" auf das genannte Tor lieferte immerhin das Foto des Tages. „Einfach sensationell", schwärmte auch Brunner.
Im Super-G sei man stärker aufgestellt, hoffte Brunner auf Wiedergutmachung am Samstag. „Vermutlich wird es wetterbedingt auch eine Materialschlacht." Dank guter Weltranglisten-Platzierungen habe man bessere Auswahl bei den Startnummern. „Man wird aber auch Glück brauchen." (APA)