1 Jahr Türkis-Blau - Experten: Derzeit kaum Stolpersteine absehbar 1

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Wien (APA) - Laut Meinungsforschern und Politwissenschaftlern kann die türkis-blaue Regierung nach dem ersten Jahr recht entspannt in die mittelbare Zukunft blicken. Stolpersteine für ÖVP und FPÖ seien derzeit kaum absehbar, meinen die von der APA befragten Experten. Problematisch werden könnte für die Koalition aus heutiger Sicht vor allem eine Änderung der äußeren (wirtschaftlichen) Rahmenbedingungen.

Sowohl ÖVP wie auch FPÖ liegen in den Umfragen seit dem Urnengang vom 15. Oktober 2017 stabil. Die ÖVP konnte in den meisten Erhebungen nach ihren 31,47 Prozent vom Wahltag noch eine leichte Tendenz nach oben verzeichnen, vor allem seit Übernahme des EU-Ratsvorsitzes Mitte des Jahres. Jüngste Umfragen wiesen Werte bis zu 35 Prozent für die „Neue Volkspartei“ aus. Die FPÖ kam in den meisten veröffentlichten Umfragen in etwa auf ihre 25,97 Prozent vom Urnengang bzw. etwas darunter, allerdings gab es auch einzelne Erhebungen mit größeren Abweichungen (mit Werten zwischen 22 und 29 Prozent).

Die Gründe, dass ÖVP und FPÖ recht stabil in der Wählergunst liegen sind vielfältig, wie etwa Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) erläuterte. So trage die aktuelle Koalition - im Gegensatz zu Rot-Schwarz zuvor - ihre Differenzen nicht öffentlich aus: „Es gibt keinen Streit, keine gegenseitige Blockade und daher gibt es in der Wahrnehmung keinen Stillstand, sondern genau das Gegenteil.“ Dazu präsentiere die Regierung regelmäßig neue Vorhaben. Dies sieht auch Peter Hajek („Public Opinion Strategies“) so: „Sie wickeln ihr Programm ziemlich klar ab.“ Und dies werde dank „sehr professioneller Kommunikation“ auch sichtbar. Dabei gehe es gar nicht immer um die Umsetzung - so werde sich beispielsweise erst zeigen, ob die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger tatsächlich „der große Erfolg wird“, sagte Hajek.

Auch für den Politologen Peter Filzmaier ist in der Kommunikationsarbeit und der demonstrativ nach außen getragenen Harmonie ein Teil der hohen Zustimmungsraten von Türkis-Blau begründet. Mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebe es eine klare Nummer eins und mit Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine klare Nummer zwei. Eine solch eindeutige Rollenverteilung habe unter Schwarz-Blau I mit dem damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider definitiv nicht existiert, zog Filzmaier einen Vergleich mit der früheren blauen Regierungsbeteiligung, die einen Absturz der FPÖ in der Wählergunst nach sich zog.

Gleichzeitig würden sich jetzt aber auch die Minister der Regierungslinie klar unterordnen. Die FPÖ wiederum begnüge sich mit der Regierungsbeteiligung und dem Vizekanzleramt. Ziel der Freiheitlichen sei eine Fortsetzung der Koalition nach der laufenden Legislaturperiode, daher könne die Partei mit gemäßigten Stimmen-Verlusten auch leben, so Filzmaier - denn Platz eins sei ohnehin außer Reichweite. Ebenfalls zum Erfolg beitragen würde, dass sich Kurz und Strache persönlich gut verstehen, sagte Hajek: „Die Chemie zwischen den beiden Spitzenkräften passt.“

Das bedeute aber nicht, dass es keine Diskussionen innerhalb der Koalition gibt, so die Experten. Man trage das jedoch nicht nach außen. Als Beispiel nannte Filzmaier das Schweigen der FPÖ zum Freihandelsabkommen CETA, welches die Blauen vor der Regierungsbeteiligung noch heftig bekämpft hatten. Ähnliches gelte für die Aufhebung des noch unter Rot-Schwarz fixierten Rauchverbots in der Gastronomie, zu dem die ÖVP zwar ihre prinzipiellen Bedenken deponierte, aber dennoch mitzog. Für Hajek agiert die Koalition nach dem Motto „leben und leben lassen“, vor allem Kurz lasse dem Partner Luft und gebe der FPÖ eine Bühne.

Zurückhaltend agiere der Regierungschef auch beim Auftauchen von rechtsrechten „Einzelfällen“ in der FPÖ, so Filzmaier. Es gebe dann vom ÖVP-Chef lediglich „dürre Wörter“. Als Beispiele dafür nannte Filzmaier etwa die NS-Liederbuch-Causa der Burschenschaft „Germania“ oder den Fall des niederösterreichischen FPÖ-Landesrats Gottfried Waldhäusl, der wegen der untragbaren Zustände in einer Asyl-Unterkunft in Drasenhofen schwer in Kritik geraten war. „Man schweigt sich den Partner schön und sagt möglichst nichts mehr dazu“, so Filzmaier. Hajek merkte allerdings an, sollte sich derartiges häufen, dann werde der Partner ÖVP irgendwann sagen, „es ist zu viel“. Bachmayer verwies auch auf internationale Pressestimmen, die die österreichische Regierung teils als weit rechtsstehend charakterisierten.

Zum guten Stand bei der Wählerschaft tragen laut Bachmayer aber auch Rahmenbedingungen bei, „die man sich nur wünschen kann“, sagte er mit Blick auf die gute konjunkturelle Lage. Die Wirtschaft entwickle sich gut und die Arbeitslosigkeit sinke - Themenfelder, auf die die Regierung freilich nur bedingt Einfluss nehmen könne, wie Filzmaier anmerkte. Zusätzlich schaffe es Kurz, die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft gut für seine Imagepflege zu nutzen. Die dadurch entstehenden internationalen Kontakte lieferten „schöne außenpolitische Bilder“, sagte Bachmayer.

( 1213-18, Format 88 x 118 mm)

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