Ungarische Oppositionsabgeordnete harren in Staatssender aus
Budapest (APA) - In Ungarn legt es die Opposition auf eine Kraftprobe mit der rechtskonservativen Regierung an und hat dabei das Staatsferns...
Budapest (APA) - In Ungarn legt es die Opposition auf eine Kraftprobe mit der rechtskonservativen Regierung an und hat dabei das Staatsfernsehen MTV ins Visier genommen. Rund 15 Abgeordnete befanden sich am Montag im Rundfunkgebäude, um die Verlesung einer regierungskritischen Petition zu erzwingen. „Wir harren aus“, sagte der EU-Abgeordnete Peter Niedermüller der APA.
Die beispiellose Protestaktion hatte am Sonntagabend begonnen, als Anti-Regierungs-Demonstranten nach dem offiziellen Ende einer Kundgebung zum Gebäude des Senders MTV weitermarschiert waren. Dort kam es zu Ausschreitungen. Die Demonstranten bewarfen die Polizei mit Feuerwerkskörpern und Flaschen, die wiederum mit Tränengas antwortete.
Oppositionsabgeordnete betraten das Gebäude, um eine Petition mit ihren Forderungen zu verlesen. Dabei seien sie aber „mit grober Gewalt einfach hinausgeschmissen“ worden, berichteten zwei Abgeordnete, die ihren Rausschmiss verhindern konnten. Bernadett Szel und Akos Hadhazy harrten daraufhin die ganze Nacht im Rundfunkgebäude aus. Am Montagvormittag erhielten sie Unterstützung von anderen Mandataren. Acht Politiker der Linken und Rechten stiegen einem Medienbericht zufolge über den Zaun des Objekts und gelangten durch eine Hintertür ins Gebäude.
„Es ist unmöglich, dass sich Abgeordnete des ungarischen und des Europäischen Parlaments über einen Zaun und durch eine Hintertür Zugang zum Sitz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beschaffen müssen“, kritisierte Niedermüller in einem Telefonat aus dem Gebäude. Laut dem Politiker der „Demokratischen Koalition“ (DK) hielten sich am Montag 15 Abgeordnete an verschiedenen Stellen des Gebäudes auf.
Die Abgeordneten hofften immer noch, ihre Petition verlesen zu können, obwohl es bisher keinerlei Verhandlungen mit Vertretern der MTV-Direktion gebe, die „uns als Kriminelle abstempelt“, kritisierte das Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Tatsächlich kündigte der Staatssender eine Anzeige gegen die Oppositionellen an, weil sie den „Betrieb gestört“ hätten.
Für Montagabend (18.00 Uhr) stellte die Opposition eine weitere Demonstration vor dem MTV-Sitz in Aussicht. Nach dieser soll über das weitere Vorgehen entschieden werden, sagte Niedermüller.
Rund 10.000 Menschen hatten sich am Sonntagnachmittag vor dem Kossuth-Platz in der Innenstadt versammelt, um gegen eine umstrittene Arbeitsgesetzreform zu protestieren, die von den Arbeitnehmerverbänden als „Sklavengesetz“ bezeichnet wurde, da es eine massive Ausweitung der erlaubten Überstunden von bisher 250 auf bis zu 400 im Jahr erlaubt. Die Demonstranten riefen „Orban hau ab“, „Wir haben genug“ und forderten „Demokratie“.
Bei der Demonstration waren alle Oppositionsparteien vertreten, deren Vertreter bei ihren Reden die Wichtigkeit des Zusammenschlusses betonten. „Wir haben genug, allein zu kämpfen“, sagte Timea Szabo von der Partei „Parbeszed“ (Dialog). Anna Donath von der Kleinpartei Momentum wünschte Viktor Orban zum Abschluss der Demonstration ein frohes Weihnachtsfest, „das Sie nie vergessen werden“.
Der Bischof von Vac, Miklos Beer, hatte in einem Brief an die Organisatoren der Demonstration betont: „Ich achte euch für eure Ausdauer, dafür, dass ihr euch trotz Kälte bei dem Erreichen eurer Ziele gegenseitig unterstützt.“ Laut dem Bischof sind die Menschen verbittert, da ihre Stimme nicht gehört werde.
Parallel zur Budapester Aktion wurde am Sonntag auch in sechs anderen ungarischen Städten demonstriert, etwa in Györ und Debrecen. Laut Aussendung der Polizei verliefen die Demonstrationen friedlich.
Orban ist wegen seines autoritären Regierungsstils und Übergriffen auf den Rechtsstaat höchst umstritten. Im September leitete das Europaparlament ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn ein. Politisch sitzt Orban jedoch fest im Sattel. Erst im Frühjahr gewann er mit seiner rechtskonservativen Fidesz zum dritten Mal infolge die Parlamentswahl mit einer absoluten Mehrheit. Im Wahlkampf setzte er vor allem auf seine harte Linie in der Migrationspolitik, für die er auch außerhalb Ungarns viele Bewunderer - unter anderem bei der österreichischen Regierungspartei FPÖ - hat.