London mobilisiert 3500 Soldaten für den Fall eines Chaos-Brexit

London (APA/AFP/dpa) - Gut hundert Tage vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU treiben London und Brüssel ihre Notfallplanungen voran. ...

London (APA/AFP/dpa) - Gut hundert Tage vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU treiben London und Brüssel ihre Notfallplanungen voran. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson kündigte am Dienstag die Mobilisierung von 3500 Soldaten an, um für den Fall eines Chaos-Brexit im März 2019 auf „alle Eventualitäten“ vorbereitet zu sein.

Das Kabinett beschloss in London, die Planung für einen ungeregelten Brexit zur „Priorität“ zu machen. Die EU will am Mittwoch ihre Notfallpläne vorstellen.

Einen solchen ungeregelten Brexit wollen sowohl London als auch Brüssel vermeiden, weil ein harter Schnitt der jahrzehntelang gewachsenen Verbindungen unabsehbare wirtschaftliche und soziale Folgen hätte. Dem fertig ausgehandelten Austrittsabkommen will aber das britische Parlament bisher nicht zustimmen. Damit ist völlig unklar, unter welchen Bedingungen der Austritt am 29. März 2019 vollzogen wird.

Verteidigungsminister Williamson sprach am Dienstag vor dem Unterhaus von nicht näher bezeichneten Eventualitäten, auf die sich die Armee für den Fall eines ungeregelten Brexit vorbereite. Die 3500 Soldaten würden bereitgehalten, um „im Notfall die Regierungsinstitutionen zu unterstützen“, sagte er.

Die „Sunday Times“ hatte kürzlich aus einem internen Behördenpapier zitiert, wonach sich die britische Polizei für den Fall eines harten Brexit auf „Unruhen bis hin zu weitreichendem Aufruhr“ vorbereite.

Bei einem ungeregelten Brexit könnten Großbritanniens Exporte einbrechen, Supermärkte und Apotheken müssten Lieferengpässe befürchten, Flugverbindungen in die EU müssten wegen fehlender Lizenzen gestrichen werden, grenzüberschreitende Lieferketten etwa in der Autoindustrie würden blockiert und Waren sowie Menschen müssten beim Überschreiten der Grenze zur EU wieder kontrolliert werden.

Das britische Kabinett nutzte seine letzte Sitzung in diesem Jahr zu einer Intensivierung der Pläne für einen ungeregelten Austritt. Die Ministerrunde habe beschlossen, „dass die Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario operative Priorität in der Regierung haben wird“, sagte Brexit-Minister Steve Barclay. Als oberstes Ziel strebe die Regierung aber nach wie vor einen geregelten Austritt auf Grundlage eines Abkommens mit der EU an.

Die Ministerien wollen dem Minister zufolge nun auch die Ausarbeitung von Leitlinien beschleunigen, mit denen sich britische Unternehmen für den Fall eines ungeregelten Brexit vorbereiten können. Unternehmen sollten bald online ein mehr als hundert Seiten starkes „Vorbereitungs-Paket“ konsultieren können, sagte Barcley. Die rund 80.000 am meisten betroffenen Unternehmen sollten in den kommenden Tagen direkt per E-Mail kontaktiert werden.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte beim EU-Gipfel vergangene Woche ihre Kollegen in Brüssel nicht zu den gewünschten Zugeständnissen am Brexit-Abkommen bewegen können. Ein harter Brexit wurde damit wahrscheinlicher.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei nahm Mays geschwächte Stellung am Montag zum Anlass, ein Misstrauensvotum gegen sie zu beantragen. Die Regierung will die Abstimmung laut Presseberichten jedoch verhindern. Es handle sich um eine reine Showveranstaltung, der kein Raum gegeben werden solle, zitierte die britische Nachrichtenagentur Press Association einen Sprecher.

Auch die EU-Seite beschleunigte ihre Vorbereitungen für den Notfall. Nach den ergebnislosen Gipfelberatungen vergangene Woche in Brüssel hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für Mittwoch die Vorlage von Leitlinien für den Fall eines harten Brexit angekündigt. „Es geht darum, vorbereitet zu sein“, sagte er am Freitag.

Die Briten hatten sich 2016 in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, die Europäische Union zu verlassen. Mays regierende Konservative sind tief gespalten. Die Premierministerin hatte in der vergangenen Woche die entscheidende Abstimmung über den Brexit-Vertrag im Unterhaus wegen einer drohenden Ablehnung in letzter Minute verschoben.

Als neuen Zeitrahmen für das Votum nannte May nun die dritte Januarwoche. „Wir müssen unserer Verpflichtung nachkommen und diesen Auftrag zu Ende bringen“, sagte die Premierministerin am Montag.