Tirol

Nur keine Angst vor den stummen Perchten

Sind laute Perchten gruseliger oder leise, die nahezu lautlos durch die Straßen schleichen? Letzteres ist in Alpbach der Fall.
© Moser

Von Perchten, Doznhacken und blutigen Ritualen – Autor Hans Moser sammelte für sein Buch 157 Tiroler Bräuche.

Von Judith Sam

Innsbruck — Rasselnde Ketten, wildes Geschrei, hässliche Fratzen — normalerweise kennt man Perchten als gruselige Gestalten, die mit viel Getöse die Geister des Winters vertreiben. Ein anderes Bild vermitteln die Dreikönigsperchten von Angerberg. „Am 5. Jänner ziehen sie, nur untermalt von fein klingenden Glöckchen, geheimnisvoll verborgen unter weißen Tüchern und Masken, durch den Ort", schildert der Angerberger Hubert Osl.

Der Brauch stammt aus früheren Zeiten, als Knechte und Mägde schlecht „gehalten" wurden: „Am Vorabend zu Dreikönig durften sie ihre karge Kost aufbessern, indem sie von Haus zu Haus zogen, sich dort vor die Krippen knieten und anschließend die Tischschubladen leerten." Dort fanden sie Zelten, Krapfen und „ausgezogne Nudln". Lumpen ließen sich die Gastgeber nicht, schließlich wollte man nicht schlecht ins Gerede kommen.

Rituale wie dieses sind über die Ortsgrenzen hinweg oft recht unbekannt. Um das zu ändern, schrieb der Kramsacher Hans Moser das Buch „Toan ma decht Tirolarisch". „Dreieinhalb Jahre hat es gedauert, bis ich die 157 Bräuche aus Tirol zusammen hatte", sagt der Kaufmännische Angestellte.

Um jeweils Fotos und Beschreibungen zu erhalten, besuchte er Veranstaltungen, sprach mit Tirolern und durchforstete Archive. Das Ergebnis ist bunt — von ruhigen Traditionen, wie dem Dreikönigsspiel in Silz, klassischen, wie dem Blochziehen in Tobadill, bis zu unterhaltsamen: „Hühnereier, die am Gründonnerstag gelegt werden, gelten als Blitzschutz, wegen ihrer angeblich starken Segenskräfte." Allerdings muss man die „Weichnpfinztagseier" dafür in den Dachboden legen.

Unglück bringt es hingegen, wenn man in den Raunächten, die noch bis zum 5. Jänner andauern, Wäsche aufhängt: „Geister springen dann nämlich in die Kleidung. Jedenfalls laut Brauch."

Im Zuge seiner Recherche gab es für den 48-Jährigen auch irritierende Momente: „Da erinnere ich mich an die Axamer Tradition ,Bluatige und der Tod'. Wer die besucht und nicht ahnt, was ihn erwartet, könnte ein wenig erschrecken."

Moser bevorzugt eher ruhige Rituale: „Wie das Frauentragen, das noch in vielen Gemeinden gepflogen wird." Dabei werden im Advent Marienbilder oder -statuen von Nachbar zu Nachbar getragen: „Abends sitzen die Familien dann zusammen und trinken Glühwein. Gerade in der Vorweihnachtszeit finde ich dieses Gemeinschaftsgefühl, das oft zu kurz kommt, wichtig."

Ähnlich besinnlich verläuft der Perchtenabend in Alpbach. Am 5. Jänner schleichen kleine Gruppen, bekleidet mit „Doggl"-Schuhen, Dirndln, und Hüten, durch die Straßen. Um nicht erkannt zu werden, verdeckten die Gestalten ihre Gesichter mit Geflechten aus Hanf und Flachs und vermeiden es zu sprechen. „Ihre Aufgabe ist es, mit langen Besen das Gute ins Haus und das Böse herauszukehren", weiß der Alp­bacher Hansjörg Lederer. „Zur Belohnung bekochen die Einheimischen sie mit ,Schmalzkiachln'", ergänzt Autor Moser.

Das Brauchtums-Buch ist bereits Mosers zweites Werk: „Angefangen habe ich mit einer Mundart-Wörtersammlung. Erst nur zu meiner Unterhaltung. Mit der Zeit habe ich die Worte in den Computer getippt, in Form gebracht und als Geschenk für Freunde ausgedruckt."

Doch das Interesse war so groß, dass Moser beschloss, ein Buch zu gestalten: „Die ersten zwei Auflagen von ,Ren ma decht Tirolarisch' waren schnell vergriffen." Ob sein neues Buch auch so gefragt ist, wird sich weisen. Nähere Informationen unter www.mundartbuch.at

Hüte aus Hanf und Flachs

Sind laute Perchten gruseliger oder leise, die nahezu lautlos durch die Straßen schleichen? Letzteres ist in Alpbach der Fall. „Diese Tradition ist einmalig in Tirol", sagt der Alpbacher Hansjörg Lederer. Die Bauern freuen sich seit jeher, wenn die Perchten Glück fürs neue Jahr ins Haus kehren.

Versteckt hinter Holzmasken

Die Dreikönigsperchten von Angerberg sind ausgerüstet mit Glöckchen, Weihrauchpfannen und Weihwasser. Früher sammelten sie während ihrer Runde durch das Dorf Essen für sich selbst. „Heute geben die Einheimischen ihnen Spenden für andere mit — etwa für die Feuerwehr", weiß der Angerberger Hubert Osl.

Doznhacken in der Nachkriegszeit

Früher waren Spielmöglichkeiten bescheidener. Im Innsbrucker Stadtteil Hötting spielten Kinder bis in die Nachkriegszeit Doznhacken — indem sie versuchten, eine Münze aus einem auf den Boden gemalten Kreis zu specken. Dazu diente eine Art Kreisel, die man aus Dozn (einem kegelförmigen Holz) und Schnur bastelte.

Nichts für schwache Nerven

Wer am Unsinnigen Donnerstag nach Axams fährt, muss damit rechnen, junge Burschen zu sehen, die trotz Minusgraden nur Badehose und Haube tragen. Damit nicht genug: Sie sind nach der Tradition von „Bluatige und der Tod" mit Schweineblut eingerieben. Woher der Brauch kommt, konnte Moser nicht herausfinden.